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Archiv-Artikel

fischer kehrt zurück Disziplinierung der Neinsager

Die schönen Tage der Außenpolitik enden jäh. Überstürzt hat der grüne Vizekanzler Joschka Fischer seine USA-Reise abgebrochen, damit er heute im Bundestag seine dringend benötigte Stimme für die Gesundheitsreform abgeben kann – ganz so, als wäre ihm der wichtige Termin beim Abflug nach New York entgangen. Hatten die rot-grünen Koalitionäre nicht mit dem Widerstand aus den eigenen Reihen gerechnet, der durch das Ergebnis der Bayernwahl noch angefacht wurde? Oder haben sie bis vor kurzem noch geglaubt, dank der CDU-Stimmen auf eine eigene Mehrheit verzichten zu können – bis Schröder am Montag eines seiner berüchtigten Machtworte sprach?

Kommentar von RALPH BOLLMANN

Die Hoffnung, der große Auftritt auf der New Yorker UN-Bühne werde von den heimischen Problemen ablenken, können sich Schröder und Fischer jedenfalls abschminken. Die plötzliche Hektik erinnert an die bislang dunkelste Stunde der Koalition vor zwei Jahren, als der Kanzler die Abstimmung über den Antiterroreinsatz mit der Vertrauensfrage verband. Doch während es damals bloß um eine einmalige Entscheidung ging, ist das für heute im Bundestag angesetzte Votum zur Gesundheitsreform erst der Auftakt eines Abstimmungsmarathons, der die politische Agenda bis zum Jahresende bestimmen wird.

Dabei wird es noch oft genug eine ähnliche Konstellation geben wie heute bei der Gesundheit. Denn bei fast allen Punkten der Agenda 2010 ist Rot-Grün auf Kompromisse mit der Union angewiesen, die der eigenen Basis ebenso wenig schmecken werden wie jetzt etwa beim Zahnersatz. Gelingt es Schröder nicht, die eigenen Reihen zusammenzuhalten, kann er gleich eine große Koalition vereinbaren. Zumindest aber ist die Verhandlungsposition gegenüber der Union erschüttert – zumal die Oppositionschefin Angela Merkel gerade mit ihrem Stellvertreter Friedrich Merz vorgeführt hat, dass sie die Abweichler im eigenen Lager sehr wohl zu disziplinieren weiß.

Deshalb ist der dramatische Effekt, den Fischers überstürzte Rückkehr hat, zugleich der Zweck der Übung. Er soll den Abweichlern den Ernst der Lage klar machen – und die Reihen für den Rest des Herbstes schließen. Mit der Peitsche allein wird das jedoch nicht gelingen. Spätestens bei ihren Parteitagen im November werden SPD und Grüne darlegen müssen, dass sie noch mehr eint als die bloße Exekution von Sachzwängen, die genauso gut auch die Union übernehmen könnte.