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Archiv-Artikel

eu-verfassung Hauptsache, sie funktioniert

Die neue EU-Verfassung sollte transparenter werden als die jetzigen Verträge. Auch die BürgerInnen sollten endlich verstehen, wie die Europäische Union arbeitet. Deshalb wollte der EU-Konvent die Verfahren radikal vereinfachen und vereinheitlichen.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

Der vorgelegte Verfassungsentwurf hat sich zwar in die richtige Richtung bewegt, aber im Ergebnis ist das Transparenzziel deutlich verfehlt worden. Das zeigen schon die Debatten der letzten Wochen um die zahlreichen Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip. Bei der Harmonisierung des Steuerrechts und in weiten Teilen der Innen- und Rechtspolitik gilt nach wie vor die Einstimmigkeit. Von Übersichtlichkeit keine Spur. Manche Bereiche, wie die Bestimmung der Zahl der Arbeitsimmigranten, bleiben den Mitgliedstaaten überlassen. Was dies genau bedeutet, wird später der Europäische Gerichtshof bestimmen müssen.

Völlig barock sind schließlich die Bestimmungen über die gemeinsame Außenpolitik. Von geradezu filigraner Schönheit ist das Zusammenspiel zwischen Europäischem Rat (der Regierungschefs), Ministerrat und dem neuen EU-Außenminister. Wer die entsprechenden Artikel liest, gerät ob der vielen Drehungen und Wendungen geradezu in einen juristischen Taumel. Bürger, die das auf Anhieb verstehen, sollten einen Europa-Orden erhalten.

Doch trotzdem ist die Verfassung nicht missraten. Verfassungspatriotismus entsteht nicht, weil die Bürger die Verfassung verstehen – sondern weil sie das Gefühl haben, dass die Regeln von den maßgeblichen Akteuren akzeptiert werden und die Lebensbedingungen, die auf dieser Grundlage entstehen, erträglich oder sogar besser als anderswo sind.

Akzeptanz und Effizienz einer Verfassung sind daher entscheidend für ihren Erfolg. Es klingt paradox, aber gerade komplizierte Regeln vereinfachen manchmal das Verfassungsleben. Schließlich neigen Kompromisse stets zu einer gewissen Komplexität.

Sicher wäre eine transparente Regelung möglich gewesen, nach der im Ministerrat alle Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. Aber wem ist mit dieser Übersichtlichkeit gedient, wenn Staaten wie Frankreich und Großbritannien dann immer wieder die Verhandlungen verlassen, um informelle Vetorechte durchzusetzen? Letztlich ist es transparenter, die Kompromisse stehen in der Verfassung als nur in informellen Hinterzimmer-Protokollen.