erbitterte debatten um die homoehe in den usa : Fruchtbarer Streit um Fundamentales
Im US-Bundesstaat Kalifornien findet aktuell ein politisch-juristisches Gemetzel um die Homoehe statt. San Francisco erlaubt sie – auf Recht und Ordnung pocht Gouverneur Schwarzenegger
In der kalifornischen Stadt San Francisco, seit je Geburtsstätte aller Belange des modernen Lebens, ob nun Feminismus, Ökologie, Krieg & Frieden, Black oder Gay Politics, findet Unerhörtes statt. Bürgermeister Gavin Newson erlaubte vor kurzem homosexuellen Paaren das Jawort vor dem Standesamt. Man darf gewiss sein, dass auf konservative Haltung Wert legende Menschen im Mittleren Westen der USA diese Geste für den Auftakt vom Untergang des Landes halten: Schwule und Lesben sollen keine Perversen, keine Missgeburten, keine Fehler Gottes sein, sondern gleichberechtigt?
Gouverneur Arnold Schwarzenegger wollte die Notbremse ziehen und die Erlaubnis von Newson gerichtlich ahnden lassen. Doch ein Richter des höchsten Gerichts dieses US-Bundesstaats lehnte eine einstweilige Anordnung ab und forderte die in den Sechzigern durch die Hippies berühmt gewordene Stadt auf, Gründe darzulegen, weshalb sie etwas erlaube, was eigentlich im Gesetz nicht vorgesehen sei.
Das ist ein Punktsieg für die Liberalen, denn tatsächlich muss das liberale Establishment San Franciscos damit rechnen, dass weder die kalifornische Elite noch die in Washington, D.C., plötzlich sagt: Eine Superidee, schwulen und lesbischen Menschen eines der wichtigsten Symbole der gesellschaftlichen Integration ebenso einzuräumen wie seit Jahrhunderten andersgeschlechtlich orientierten Menschen auch. Der kalifornische Richter, der dem konservativen Verbotsansinnen nicht folgen wollte, wird, typisch amerikanisch, um die wichtigste Folge seines Entscheids wissen: dass die Debatte um den selbstbewussten Coup der Politiker aus San Francisco, um schwule und lesbische Bürgerrechte nicht so rasch wieder verebbt.
Und dieser Streit ist notwendig, selbst wenn schon 90 Prozent der Amerikaner sagen würden: Ja, finden wir auch – die Ehe ist nicht nur für Heterosexuelle. Tatsächlich hält die Hälfte der US-Bürger dieses Bürgerrecht für unnötig, mehr noch, sie sind mit der klandestinen Stellung von Homosexuellen einverstanden. Deshalb kann der Gay Community an der Auseinandersetzung nur gelegen sein. Sie zu führen ist auch deshalb notwendig, weil zu vermitteln wäre, dass die konservative Mitte des Landes mit ihrem Hass, wenigstens mit ihrer Aversion gegen Homosexuelle, einer talibanischen Sichtweise vom Zusammenleben von Menschen näher steht als liberalen Ideen der Aufklärung und der Ermöglichung von Lebenschancen.
Juristisch betrachtet müsste auch ein Konservativer, der traditionell viel auf Ehe und Familie gibt, Schwulen und Lesben das Recht der Eheschließung einräumen, selbst wenn er deren Lebensweisen für pervers, gotteslästerlich oder sonst wie irrig hält. Die Idee des Westens lebt gerade davon, Aversives aushalten können zu müssen – und zwar auch in umgekehrter Hinsicht: Schwule und Lesben können nicht ernsthaft verstehen, weshalb Sexuelles sich auf eine Person des anderen Geschlechts richten muss. Trotzdem entfalten sie keinen Eifer, die klassische Ehe verbieten zu wollen.
Präsident George W. Bush will nun in der Verfassung einen Zusatzartikel verankern lassen: Ehe sei demnach strikt heterosexuell. Das könnte Jahre dauern. US-Liberale sollten ihren Wahlkampf mit dieser Frage anreichern – einer, in der es um das fundamentale Selbstverständnis des Westens geht: Wie hält man es mit der Privilegierung des Heterosexuellen? JAF