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Archiv-Artikel

eject STEFFEN GRIMBERG über Pressekodex, Springer-Leitlinien und Saunatücher

Verteidigung der Pressefreiheit

Schon wieder Springer? Ja. Muss. Leider. Denn Deutschlands Großverlag hat sich in den vergangenen Monaten höchst intensiv mit dem Pressekodex auseinander gesetzt. Nein, nicht was Sie jetzt wieder denken: Springer will die Selbstverpflichtung des Deutschen Presserats zu Sorgfalt, Fairness und Unabhängigkeit NICHT abschaffen.

Im Gegenteil: Dessen publizistische Grundsätze reichen dem Haus, das mit Bild und Welt ein hübsches Stück weit mitbestimmt, was und vor allem wie in Deutschland berichtet wird, einfach nicht mehr aus. Die neuen, gestern in der Welt veröffentlichten „Leitlinien“ konkretisieren nun die Vorgaben und sichern so „die Rahmenbedingungen, die unabhängigen und kritischen Journalismus bei Axel Springer ermöglichen“ (Volltext: www.welt.de).

Und so wird geregelt, was eigentlich längst Standard ist. Die Trennung von Anzeigen- und redaktionellem Teil zum Beispiel. Aber in Zeiten der Branchenkrise und immer dreister werdender Versuche der werbetreibenden Industrie, den Aggregatzustand dieser Grenzen Richtung flüssig zu verändern, ist das vielleicht ganz angebracht. Vor allem, wenn Verlagsmanager öffentlich Sätze sagen wie: „Keine Frau erwartet von der Vogue oder der Glamour die Verteidigung der Pressefreiheit“, und meinen, in solchen Blättern dürften sich dann redaktionelle Berichterstattung und werbliche Aspekte durchaus mal annäheren. Der Mann, der so beim Branchentreff „Hamburger Dialog“ im Mai auf sich Aufmerksam machte, hieß übrigens Andreas Wiele. Und ist Zeitschriftenvorstand bei – hoppla – Axel Springer.

Alles in allem also höchst sinnstiftend. Vielleicht auch noch die Regelung über Geschenke, die „den Charakter einer persönlichen Vorteilsnahme haben“ und fürderhin verweigert oder an mildtätige Organisationen weitergeleitet werden sollen. (Karitative Organisationen mit Interesse an Kabel-1-Saunatüchern wenden sich bitte direkt an die Welt-Medienredaktion.)

Völlig unmöglich ist dagegen der letzte Leitlinien-Passus über den Umgang mit den Quellen der Berichterstattung – und hier vor allem Interviews: „Auch im Falle besonderen Termindrucks“ müssten „Interviews vom Gesprächspartner mündlich oder schriftlich autorisiert werden“, heißt es da. Brillant. Als ob die Autorisierungsseuche nicht schon weit genug ginge und heute nicht selbst drittklassige Schauspieler über ihre Agenten jeden Furz absegnen und am liebsten gleich selbst schreiben wollten. Von drittklassigen, aber auch höherwertigen PolitikerInnen aller Couleur ganz zu schweigen.

Und was passiert eigentlich mit dem gelegentlich sportiven Umgang mit dem Pressekodex durch Bild? Verlierer des Tages? Nun: Anders als Welt und Berliner Morgenpost hat das Blatt die neuen Leitlinien gestern mit keiner Zeile erwähnt.