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ejectJENNI ZYLKA über Ferrero-Werbung

Muss ja gut sein! Adel verpflichtet!

Vielleicht, ach was sag ich, höchstwahrscheinlich hat die Süßwarenfirma Ferrero (Ü-Eier, Kinderschokolade, Rocher etc.) eine Werbeagentur, der sie etwas schuldig ist. Vermutlich hat nämlich einer der Ferrero-Sprösslinge (reiche Familie, Kinder im teuren Internat, im Urlaub Jetski, Paragliding und eine goldene Amex) dem Chef besagter Werbeagentur irgendwann in der Vergangenheit etwas wirklich Unverzeihliches angetan, etwas, das weder entschuldbar noch mit Geld auszusöhnen ist. Sagen wir, der Ferrero-Sohn ist dem Agenturchef mit besoffenem, vollgekoksten Kopf irgendwann in den 80ern mit seinem Jetski mitten über a) den Lieblingshund, b) die gerade frisch weiß gelackte Jacht und c) seine Fabergé-Eier-Sammlung geratscht. Das war in St. Tropez, der Hund war danach hin, die Jacht zerschrammt und die Eier liegen im azurblauen Wasser und rosten.

Und darum, weil die Ferrero-Familie das nie wieder gut machen konnte, hat man sich entschlossen, besagter Werbeagentur einen lebenslangen Auftrag für Ferrero-Produkte zu erteilen. Darum kann sich die Werbeagentur jetzt die Produktion der dümmsten und alleraltmodischsten Werbespots leisten, Spots, mit denen sich eigentlich kein einziges Produkt verkaufen lässt, Spots, für die normalerweise Werbeagentur-Juniorpartner bei der Vorführung von den Seniors richtiggehend gesteinigt würden. Aber weil Ferrero schon vorher ganz gut im Geschäft war, und wegen dieser traurigen Geschichte mit dem toten Lieblingshund und den versunkenen Fabergé-Eiern, darf die Agentur einen Spot nach dem anderen herausschleudern. Da darf ein grundspießiger, doofer Uli im roten Jackett mit einer Packung „Ferrero Küsschen“ schellen, nachdem die Freunde tatsächlich schon alles weggefuttert haben, aber „Freunden gibt man ja gerne mal ein Küsschen oder auch zwei oder drei?“ – oh Gott, was für eine Punchline. Da dürfen zwei Teenager einen extra Ferrero-Kühlschrank im Cabrio haben, und die künstlichsten Dialoge der Welt sprechen: „Fährt dein kleiner Bruder mit?“, nur weil Kinder-Schokolade im Auto liegt, als ob jemand auf so einen albernen Gedanken kommen würde! Da darf eine „Milchmahlzeit im Handyformat“ klingeln. Da trägt bei einer snobistischen Adelsparty ein Butler tatsächlich ein Tablett voller Ferrero Rocher auf. Wenn je ein Adeliger in seinem Schloss Ferrero Rocher kredenzt hat, fresse ich einen Besen. Oder eine Packung „Prof. Rhino“. Oder eine Palette Ü-Eier, die schon seit Jahren von besagter Werbeagentur mit der unsinnigen Idee beworben werden dürfen, dass das Ü-Ei nicht verraten möchte, was in ihm steckt. Und dann kommt es doch immer wieder raus, Mannomann, wie absurd.

Warum sollte das Ü-Ei denn überhaupt Wert darauf legen, dass man die Schlümpfe, Happy Hippos oder was weiß ich nicht sehen darf? Aber die Ferrero-Agentur wird absolute Narrenfreiheit haben. Wahrscheinlich sitzen dort längst ein paar unkündbare Anarchisten, die sich einen Jux daraus machen, die unmöglichsten Spot-Ideen zu verwirklichen. Und insofern könnte man auch schon wieder Ferrero-Spots-Fan werden: Sie sind auf jeden Fall schwerstens subversiv.

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