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Archiv-Artikel

eine stimme der korrektur

Die überregionale taz, die auf die Regionen setzt, hält auf diese Weise auch sprachliche Herausforderungen bereit. Wie heißt der Tag vor dem Sonntag „richtig“? Manche glauben gar, es bei dieser Frage mit einem innerdeutschen (nennt man das noch so?) Konflikt zu tun zu haben. Auch wenn die Duden-Redaktion inzwischen planen soll, den „Sonnabend“ als regionalen Ausdruck zu kennzeichnen, hält er sich bei uns ganz gut. Man verzichtet einfach aufs Vereinheitlichen. Auf manchen taz-Seiten steht oben „Sonnabend“ und unten „Samstag“!

Bei Berichten vor Ort wird es dann mit solchen authentischen Begriffen zwiespältiger. In einer Reportage aus Bayern kann die Formulierung, jemand sei irgendwo gestanden, durchaus als Ausweis der Vor-Ort-Recherche Vertrauen erwecken. Im Berliner Lokalteil macht es sich weniger gut und wird besser umgeschrieben. Schade ist es um andere sprachliche Besonderheiten, von Süddeutschen erwähnte Tode beispielsweise, die zu Toten werden. Hochdeutsch soll es schon sein.

Aber wem ist bekannt, dass „I-Männchen“ dasselbe wie „Abc-Schützen“ sind, ist die „Kerb“ wirklich der angestaubten, aber transparenteren „Kirchweih“ vorzuziehen? Sollen die, die verwirrt sind, ins Wörterbuch gucken müssen? Oder „kucken“, was auch „erlaubt“ ist? Noch schlechter, wenn mancher gar nicht erkennt, dass es sich um einen regionalen Ausdruck handelt. Dass eine baden-württembergische Große Kreisstadt oftmals keine große Kreisstadt ist, lässt sich, wenn nicht so schnell erklären, so doch durch das „G“ festhalten – wenn das dann nicht für einen Fehler gehalten wird. Meint jemand mit „Bottel“ keine englische „Bottle“, sondern eine norddeutsche „Buddel“, die man – oje – auch „Buttel“ schreiben darf?

Einiges ist gar nicht auf den ersten Blick als Regionalkonflikt zu erkennen: Das Jahr, den Monat, die Woche vor dieser, wie nennt man die? Mancher hat vielleicht gehört, dass sie nicht die „letzten“ heißen sollen; es gibt das düstere Argument, man hoffe doch wohl, dass das abgelaufene nicht wirklich das letzte Jahr gewesen sei. Wortkarten des deutschen Sprachgebiets zeigen indes, dass dies nicht überall so eng gesehen werden muss. In den meisten Teilen des deutschen Sprachraums ist das „vorige“ Jahr etabliert, in Baden-Württemberg und der Lüneburger Heide ganz furchtlos das „letzte“, nur im übrigen Niedersachsen, Mecklenburg und Schleswig-Holstein will die Tradition das „vergangene“. Warum sich diese, die längste Variante in journalistischen Texten so überaus häufig findet, mag jeder selbst beurteilen. Für die Korrekturtätigkeit hat es den Vorteil, dass so doch ein Wechsel nach Süden möglich ist, dann kann am Ende „vorig…“ statt „vergangen…“ da stehen und der zuvor durch eine Korrektur zu lang gewordene Text passt wieder. MATTHIAS FINK