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Archiv-Artikel

eine kleine kundenkarten-kunde von HARTMUT EL KURDI

Als man mich zum ersten Mal an einer Kaufhauskasse fragte: „Haben Sie eine Payback-Karte?“, konnte ich noch nicht einmal „Nein“ antworten, so verwirrt war ich. Was? Wie? Pay … back? Wer zahlt an wen zurück? Und für was? Und wieso Karte? Ich wollte doch nur das Grundprinzip des Handels befolgen: Geld gegen Ware tauschen. Warum musste ich mir in diesem Zusammenhang eine derart demütigende Frage stellen und mich vor meinen Mitkonsumenten als uninformierten Vollidioten outen lassen? Glücklicherweise ließ mich die Kassenkraft dann doch ohne die ominöse Karte bezahlen, schaute mich dabei aber so mitleidig an, als sei ich grade aufgetaut worden.

Inzwischen weiß ich zwar, was eine Payback-Karte ist, verzichte aber auch weiterhin gerne darauf. Ich will keine Treuepunkte und nicht bei jedem Einkauf Auskunft über mein Kaufverhalten geben. Und vor allem möchte ich mir hinter her keine „Prämien“ aussuchen müssen. Das ist mir zu anstrengend.

Allerdings muss ich gestehen, dass ich eine Ausnahme gemacht habe. Aus beruflichen Gründen bin ich viel unterwegs und aus privaten Gründen habe ich nie einen Führerschein besessen. Also fahre ich mit einer Bahncard und dem ICE durch die Gegend. Jedes Mal, wenn ich eine Fahrkarte kaufe, bekomme ich für jeden bezahlten Euro einen „bahn.comfort“-Punkt gutgeschrieben. Nach 2.000 innerhalb eines Jahres gesammelten Punkten, also 2.000 ausgegebenen Euro, gibt’s aber nicht etwa eine Freifahrt, sondern … äh … wie soll man das sagen? Nun, vielleicht so: Gar nichts, nüscht, nada, niente. Das trifft’s ganz gut. Man bekommt faktisch nichts, außer einer „bahn.comfort“-Karte. So wie ich letzte Woche.

Diese Karte verschafft mir laut Infoheftchen folgende Vorteile: Ich kann über das „bahn.comfort“-Servicetelefon kostenpflichtige Sitzplätze reservieren – „Bezahlt wird per Kreditkarte“ – oder einen kostenpflichtigen Parkplatz am Bahnhof buchen. Ebenso darf ich Autos von „Sixt“ mieten und gegen Geld am „db carsharing“ teilnehmen. Mal abgesehen davon, dass ich Bahn fahren will und nicht Auto, werden mir dabei als einziger Vorteil gegenüber dem Normalkunden schwammige „besondere Konditionen“ wie „je nach Verfügbarkeit einen Upgrade in die nächsthöhere Klasse“ versprochen. Dafür darf ich jetzt aber auf zwölf Bahnhöfen die „DB-Lounges“ betreten. Aber ehrlich gesagt will ich am Bahnhof nicht abhängen, sondern wegfahren. Und falls ich doch mal warten muss, gehe ich einen Kaffee trinken.

Das einzige echte Privileg sind die in jedem IC und ICE für „bahn.comfort“-Kunden ausgewiesenen Sitzplätze. Aber auf die setze ich mich sowieso schon seit Jahren, so wie das jeder andere auch macht. Aber jetzt kann ich im überfüllten Zug offiziell ausflippen, mit meiner „bahn.comfort“-Karte winken wie mit einem gefälschten Behindertenausweis und Nicht-Karten-Inhaber zum Aufstehen zwingen. Schließlich habe ich mir das Recht dazu ja mühsam zusammengesammelt. Ich hab’s geschafft, mein Kindheitstraum ist verwirklicht: Hartmut Mehdorn hat mich zu einem verrückten Eichhörnchen gemacht. Ich bin eine Comicfigur! Ich bin Tex Averys „Srewy Squirrel“!