ein amerikaner in berlin : ARNO HOLSCHUH über Taxifahren in Berlin
Sorry, ich bin auch gegen Krieg
Ich bin einer, der sich gerne mit den Taxifahrern unterhält. Kürzlich musste ich einen frisch gekauften Computer von Mitte nach Kreuzberg bringen, wofür die U-Bahn nicht gerade das geeignetste Transportmittel gewesen wäre. Als der Mercedes (was für tolle Taxis ihr hier in Deutschland habt!) vor dem Laden hielt, stieg ich ein und fing an zu reden. Da mein Akzent immer noch ziemlich ausgeprägt ist, lag das Verhältnis zwischen Deutschland und den Staaten als Thema sehr nahe. Wie immer fing ich mit einer Entschuldigung an.
„Wissen Sie“, sagte ich vorsichtig, „ich finde diesen geplanten Krieg gegen den Irak genauso beschissen wie die meisten Deutschen.“ „Komisch. Das sagen mir alle Amis, die ich bisher gefahren habe“, antwortete der Fahrer. „Da fragt man sich, wer überhaupt noch diesen Krieg befürwortet.“ Eine Frage, die mich schon länger quält. Wer will den Krieg? Etwa die Bauern auf dem Land, die Puritaner oder eine Verschwörung von Rüstungsindustrie und Regierung? Welche Feindbilder sollte man als Kriegsgegner im Kopf haben? Dass manche Deutsche ein solches Feindbild brauchen, kann ich leider aus eigener Erfahrung bestätigen. Manchmal habe ich das Gefühl, es wäre ein Volkssport, Teile der US-Gesellschaft zu karikieren: die reichen, konservativen Amerikaner, die alles zerstören, um billigen Sprit für ihre Geländewagen zu kriegen.
Neulich, als ich im Tacheles ein Bier mit meinem amerikanischen Freund George trank, kam ein total besoffener junger Mann auf uns zu und sagte: „Ich seh ja, dat ihr Amis seid, und ick will nu sagen, dat ick Amis ganz doll find. Echt, nu mal kein Scherz, okay? Nur die Regierung iss beschissen.“ Wir haben geantwortet, dass wir ganz seiner Meinung seien.
Aber zurück zum Taxifahrer. „Also“, fing ich an, „viele Amerikaner glauben nun einmal, dass unser Land eine Art Leuchtturm der Freiheit ist. Deshalb denken sie, dass wir die schwierigsten Aufgaben der Weltpolitik lösen müssen. Und Saddam ist für sie genau eine solche Aufgabe.“ „Und sie denken nicht daran, was nach Saddam kommen soll?“ „Nein, aber ebendas sollten wir tun: Wir müssen das Land wiederaufbauen, das wir zerstört haben. Das haben wir schließlich für die Deutschen damals auch getan, und man sieht, dass es hier funktioniert hat.“ Da schwieg der Taxifahrer. Scheiße, habe ich mir gedacht, das klang bestimmt überarrogant. Natürlich hatten die Deutschen auch den Willen dazu, das Land wiederaufzubauen – wenn wir auch geholfen haben. Jetzt wird er mich vermutlich nach Brandenburg fahren, aus dem Taxi stoßen und seinen Kollegen per Funk mitteilen, dass sie den armselige Ami auf keinen Fall zurückfahren sollen. Dann machte er endlich den Mund wieder auf: „Also, das sehe ich anders. Bin nämlich Ossi, und für uns habt ihr damals eigentlich gar nichts gemacht.“
Arno Holschuh (27) war Reporter in Kalifornien und lebt derzeit für ein Jahr als Fulbright-Stipendiat in Berlin