edmund stoiber, der gröschraz von JÜRGEN ROTH :
Auf der Festplatte meines Computers liegen 301 Audiofiles mit Redebeiträgen des scheidenden bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. In mühseliger Kleinarbeit zusammengetragen und von meinem Kumpel Uli Schmidt akribisch transferiert und geschnitten, dürfte es sich dabei um die umfänglichste Stoiber-O-Ton-Sammlung der Welt handeln.
Man hat Stoiber ob seines nahezu unvergleichlich rumpelnden Vortrags als „Rhetor Rumsfeld’scher Größe“ (SZ) charakterisiert, und im Internet kursieren seit etwa einem Jahr fünf, sechs Glanzbeispiele seines teilweise mit sagenhaften Neologismen angereicherten Gefasels, darunter die Jahrhundertrede zum Transrapid, gegen die nicht mal Heino Jaeger eine Schnitte gesehen hätte, sowie Stegreifausführungen zu hingerichteten Blumen, Asylanten in ihrem Frausein und Problembären.
Unbeachtet blieb jedoch bislang die Phondimension der Stoiber’schen Redekunst. Das mag daran liegen, dass sich die Netzklassiker auch durch ihre gedämpfte Deklaration auszeichnen – mit einer Ausnahme: der „Gludernden Lot“: „Es muss zu schaffen sein, meine Damen und Herren“, schmettert Stoiber da in die Runde, „wenn ich die CDU ansehe, dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können, und deswegen – in die lodernde Flut, wenn ich das sagen darf?“
Das durfte er sagen, zumal unserer nicht abreißenden Freude an diesem syntaktisch-semantischen Bravourstück wegen. Was mich beim x-ten Anhören allerdings beinahe noch mehr entflammt als die vollkommen schlüssig aneinandergereihten Wortbälger, ist die dröhnende Wucht des Stoiber’schen Appells. Plötzlich fällt mir auf, dass etwa ein Fünftel meiner O-Töne in die Kategorie der guten, alten politischen Brüll-Performance gehört.
Auf dem legendären Live-Album „Made In Japan“ vernimmt man, wie Deep-Purple-Sänger Ian Gillan den Mann am Mischpult instruiert: „Can we have everything louder than everything else!“ 27 Jahre später, 1999, erschien die Motörhead-Doppel-CD „Everything Louder Than Everything Else“. „Everybody’s darling ist bald everybody’s Depp!“ keifte Stoiber, der gelehrige Schüler von Gillan und Lemmy Kilmister, zur selben Zeit herum, polterte aber auch donnernd gegen „Inkompetenz!“ an, gegen den „politischen Niedergang!“ und sowieso den ganzen Stuss zum Beispiel von Gerhard Schröder: „Dann soll er selber mal ausschöpfen, was er für einen Mist verbockt hat!“
Lärm sei der Ausfluss „der zähen Beschaffenheit und handfesten Textur [der] Gehirnmasse“, sagt Schopenhauer. So möge er uns in Erinnerung bleiben, der krachledern-oberbayerische Oberleutnant der Gebirgsschützen: als unbezähmbarer Knall- und Ratterkopf, als würdiges Mitglied im Verein der großen Kräher. Und vielleicht wird er dereinst, im Rückblick, über Wehner, Schröder, Fischer und sein Vorbild Strauß obsiegt und den Titel davongetragen haben: des GröSchraZ, des Größten Schreihalses aller Zeiten.
Dann indes merket euch: „Wenn dieses Vermächtnis verändert wird, bekommt es jeder mit mir zu tun, die Art und Weise lass ich hier mal offen!“