die wahrheit: Nächster Halt Peking
Die Deutsche Bahn wird auf Beschluss der Bundesregierung teilprivatisiert - mit verheerenden Folgen für die Kunden.
Am vergangenen Dienstag hat die Bundesregierung die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG beschlossen. Viele Bahnkunden fragen sich seitdem besorgt: Was für Teile sind das denn eigentlich, die die Bahn da privatisieren will?
Vor allem BahnCard- und Monatskarteninhaber sind beunruhigt. Als regelmäßige Bahnnutzer fürchten sie, dass auch sie zu den attraktiveren Bahnteilen gezählt und demnächst an einen neuen Eigentümer veräußert werden. Dabei hatten sich die meisten gerade erst an den launischen Mehdorn als Besitzer gewöhnt. Nun aber sollen es vor allem lausig reiche Ausländer sein, die stark interessiert sind: neureiche Chinesen, stinkreiche Russen, schwerreiche Araber. Wenn die nun plötzlich ganze Pendlerzüge aufkaufen? Dann muss nur zufällig der Waggon dabei sein, in dem man jeden Tag ins Büro fährt. So gesehen kann es passieren, dass ein Fahrgast morgens ahnungslos eine Regionalbahn im Berliner Speckgürtel besteigt, die, statt fahrplanmäßig eine halbe Stunde drauf im Berliner Hauptbahnhof, erst zwei, drei Wochen später im Pekinger Zentralbahnhof wieder anhält.
Großes Rätselraten herrscht bei einigen Bahnkunden auch darüber, wie sich wohl die Teilprivatisierung deutscher Bahnhöfe auf den Reiseverkehr auswirkt. Können dann vielleicht die gefragteren, weil wettergeschützten Bahnsteigbereiche im Bahnhofshalleninnern gar nicht mehr oder nur noch auf eigene Gefahr betreten werden, während der noch nicht privatisierte öffentliche Zugverkehr ausschließlich über die zugigen Außenbereiche abgewickelt wird? Nicht nur erfahrenen Bahnfahrern ist schlichtweg schleierhaft, wie das ohne gravierende Verspätungen gehen soll.
Gleiches gilt für die Teilprivatisierung von Zügen. Wenn die 1. Klasse künftig als Privatgrundstück ausgewiesen wird, das Unbefugte nicht betreten dürfen, wird das die Normal-Reisenden in der 2. Klasse nicht sonderlich stören, weil es ja vorher auch schon so war. Was aber, wenn plötzlich der Eintritt in das ebenfalls teilprivatisierte BordBistro 2.000 Rubel kostet? Oder die chinesischen Neueigentümer dort jetzt Hundegeschnetzeltes statt Nürnberger Würstchen und statt heißen Kaffee nur noch lauwarmes Glutamat anbieten? Oder man keinen Schnaps mehr kriegt, weil der arabische Teileigentümer Alkohol aus religiösen Gründen nicht duldet.
Für Verwirrung dürften auch die vielen ausländischen Schaffner sorgen, die dann in den teilprivatisierten Zügen ihren Dienst tun. Denn darauf dürfte kaum ein ausländischer Privatisierer verzichten wollen und sowohl Fahrscheinkontrollen als auch Lautsprecherdurchsagen in seinem Zugteil nur von den eigenen Leuten erledigen lassen. Wenn dann noch alle Mann unterschiedliche Uniformen tragen, dürfte das Chaos perfekt sein.
Alles bloß eine noch ziemlich ferne Zukunftsmusik? Denkste. Falls Bundestag und Bundesrat der Bahnprivatisierung im Herbst zustimmen, könnte es schon in einem Jahr so weit sein. Na gut: zuzüglich der obligaten 30 Minuten. Mit der Verspätung sollte man bei der Bahn immer rechnen. Selbst bei ihrem eigenen Ausverkauf.
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