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die wahrheitKannibalen mit Haken und Ösen

Die Wahrheit-Woche zu Ehren Edmund Stoibers: Bayerns großer Gewaltverein, die CSU

So idyllisch wie unterm hohen Herrscherpaar Karin und Ed Stoiber wird Bayern nie wieder sein Bild: rtr

Wie ein Bergsee hängt über der tiefen Landschaft die blaue Luft, in der weiße Wolken wie Bierschaum schweben. Einem vollen Käselaib gleich baumelt droben die Sonne am Zenit herum. Still grast auf den schrägen Matten eine zweibeinige Sennerin. Eine Kuhglocken weht a weng vorüber ... - da reißts die Stille mitten durch! "Jo mei, eana dad i do die Diddln obazipfn! Dös hob i grad s Hapfenhupfen ollwei!! A Hund, sog i! Gschapf di zua, asgrupfter Gschamperl!"

So geht es zu in Bayern - und folglich in der Christlich Sozialen Union (CSU): Jahrelang herrscht schwere Ruhe wie bei einem vor lauter Bier über dem Kneipentisch weggeratzten Mannsbild. Doch plötzlich sticht ein falsches Wort in den Frieden! Jäh rauschen Schreie wie aufgereizte Stuhlbeine durch die hochgepeitschte Luft, nackte Knochen krachen wütend auf nackte Knochen, und niemand weiß, wer zum Schluss das bessere Ende in der Hand hat.

Exakt so ist es, seit die tückische Fürther Landkönigin Gabriele Pauli mitten in der schönsten Idylle den Zünder an Edmund Stoiber legte und damit eine Lawine von der Leine ließ, die nicht nur den porös gewordenen Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden aus dem Sattel spülen sollte; sondern sie entkorkte einen von Blut dampfenden Bruderkampf, in dem sich erst zwei, dann drei und am Ende vielleicht noch mehr bis an die Halskrause hochgerüstete Lager mit entblößten Gewehren gegenüberstehen.

Alle trachten nach Mord und Schlimmerem: Wirtschaftsspezi Erwin Huber hie, Bundesbauernführer Horst Seehofer da und Gabriele Pauli dort, die mit Haken und Ösen um den Parteivorsitz ringen; sowie jene noch in kugelsicherer Deckung verborgenen Streiter wie Generalsekretär Markus "Stalin" Söder, Fraktionschef Joachim "Würgeisen" Herrmann und Kultusminister Siegfried "Setzen, Sechs!" Schneider, die verstohlen nach dem Landesvaterstuhl schielen. Den wähnt zwar Günther Beckstein bereits unter seinem rasierten Sitzfleisch, aber der Stuhl wird spätestens frei für andere Backen, wenn der neue Besitzer ins Trudeln gerät, durch welche rasanten Rempler und Kinnhaken auch immer.

Wie der gewaltige Kampf in der CSU-Arena ausgeht und ob es nach der Schlacht unter der Tischdecke mit Beißen, Kneifen und Messerstechen weitergeht, weiß niemand. Wer seinen Kopf in ein Geschichtsbuch gehalten hat, weiß aber eins: So hoch die wilden Wogen sich gegenwärtig stapeln, es ist nicht das erste Mal in der von Giftanschlägen, Mordkomplotten und Blutbädern überschäumenden Geschichte der CSU. Die Eintracht, die ihre Politiker vorne im Gesicht tragen, ist hinten das Papier nicht wert.

Da hat es das äußerlich blütenreine Tandem Stoiber/Waigel, das 1993 die Ämter des Landesvaters und des Parteileiters brüderlich aufteilte; doch schon 1998 hatte es Stoiber durch ständige Beintritte und Steckschüsse geschafft, Theo Waigel kaputtzukriegen und nach dem Staat auch die Partei an sich zu reißen. Oder man nehme Stoibers Vorgänger Max Streibl, der die Amigos aus der Wirtschaft jahrelang mit Staatsgeld polsterte und erst in die Luft flog, als der von Ehrgeiz vergiftete Stoiber 1993 den spitzen Finger nach seinem Posten ausstreckte. Oder man denke an Franz Josef Strauß, nicht zufällig Schlachtersohn seit seiner Geburt, der 1978 den seit 16 Jahren allzu fleckenlos herrschenden Souverän Alfons Goppel mit der Elektrozange aus dem Amt zerrte und sich mit Goppels Blut selber zum Ministerpräsidenten und Herrn über Leben und Tod salben ließ.

Intrige, Heimtücke und Verbrechen regierten in der CSU von Anfang an. Schon als 1945 die Partei von den Gründern ausgekocht wurde, verfiel man daher auf den teuflischen, für Eingeweihte sofort verständlichen Namen "Christlich-Sozial", der einst antisemitischen Parteien eigen war, nach 1945 einen Gasgeruch vor sich hertrug und bei der nun judenfreien Wählerschaft augenzwinkernden Erfolg verhieß.

Mit ähnlich skrupelloser Faust zerschlug man die Konkurrenten, die im Parteienbecken mitruderten. Die SPD, die die CSU bei der Landtagswahl 1950 frech überrundet und 1954 mit der Bayernpartei die Regierung usurpiert hatte, wurde ausgetilgt, die Bayernpartei vollständig mit Haut und Schuhen aufgefressen. In der Spielbanken-Korruptionsaffäre 1955/60 gelang es der CSU, allen Bayernparteipolitiker Hals und Bein zu brechen, obwohl sie selber mit im Schmutz saß; CSU-Generalsekretär Friedrich Zimmermann kam nur davon, weil er mit gespaltener Zunge redete und einen kalten Meineid schwor. Kein Gericht ließ ihn dafür jemals auspeitschen.

Seit 1962 übt die CSU die Alleinherrschaft in Bayern mit rücksichtsloser Gewalt aus. Und wendet, da in freier Wildbahn alle Feinde ausgerottet sind, ihren Kannibalismus nach innen: weshalb auch in Zukunft keine Ruhe im Sack sein dürfte. Sondern sich hoffentlich noch mehr Kombattanten weiter mit vollen Breitseiten bombardieren.

Oder werden etwa Harmonie und Friede sich übers Land legen? Jo mei! Am runden Himmel schläft eine weißblaue Sonne. Still ruht der Berg. Zufrieden kräuselt der See sich selbst. Da! Irgendwo bellt eine Kuh. Und plötzlich ... PETER KÖHLER

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2 Kommentare

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  • RA
    Reinhard A.

    eine zweibeinige Sennerin - herrliche Formulierung, Sie Wahrheitserfinder. Irgendwo bellt eine Kuh...

     

    Aber das hier: "Jo mei, eana dad i do die Diddln obazipfn! Dös hob i grad s Hapfenhupfen ollwei!! A Hund, sog i! Gschapf di zua, asgrupfter Gschamperl!"

    verstehe selbst ich als echter Bayer nicht. Ist wahrscheinich Phantasie-Bayrisch.

     

    Well done, Herr Köhler. Ein realsatirischer Komödienstadl war das. Besser als ein Scheibenwischer.

  • IN
    Ihr NameJ.P.W.

    Seid gegrüßt, beste TAZ,

     

    hochleben laß ich Euch heut für diesen treffenden Artikel. Schon lange nicht habe ich einen Schriftsatz mit einer solch schneidenden Schärfe des denkenden Verstandes gelesen. Außerordentlich gut!

    Vielen Dank dafür, da macht das Zeitunglesen wieder Spaß!

     

    Beste Grüße

     

    J.P.W.