die wahrheit: Der homosexuelle Mann
hat seine launischste Gegnerin - vorausgesetzt die Annahme, Lesben und Schwule säßen in einem Boot...
... immer mit an Bord. Wie die kleine oder große Schwester nörgelt die homosexuelle Frau ständig rum, er würde sie unterbuttern und sich in den Vordergrund drängen, und wenn es um Homosexualität gehe, sei immer nur von ihm die Rede. Stimmt. Denn heterosexuelle Männer fürchten die Schwulen so sehr, dass sie sie nicht übersehen können. Aber Lesben? Gibts die überhaupt? Nein, Männer - und noch bestimmen sie jede öffentliche Wahrnehmung - haben es immer abgelehnt, Frauen eine eigene Sexualität zuzusprechen, und eine, die sie ausschließt, schon gar nicht.
Dass die anderen Mädels so viel schlechter wegkommen als die anderen Jungs hat aber auch damit zu tun, dass lesbische Frauen kaum über sich sprechen, jedenfalls nicht öffentlich. Jüngstes Beispiel: Anne Will. In den letzten Wochen gab es eine mediale Vollverpflegung mit Will-Porträts, und ihr erster Talk-Auftritt wurde zelebriert wie eine Thronbesteigung. Dafür hat sie alles mitgemacht, sich jeder Kamera gezeigt und jedem Reporter jede Frage beantwortet. Fast jede Frage. "Nichts Privates!", hat sie dann gesagt, und dann doch erzählt: vom Bruder und von den Eltern und der Schulzeit und, und, und. Nichts Privates? Anne Will ist Profi genug, um zu wissen, was sie zeigt und was nicht, um das Bild der erfolgreichen und kompetenten TV-Frau aufscheinen zu lassen. "Ich achte ja auch das Privatleben anderer", sagt sie dann noch. Pah!
Nein, lesbische Frauen melden sich ungern zu Wort als Lesben. Während eine ganze Nation gerade mit Klaus Wowereit eine schwule Biografie exemplarisch durchdekliniert, sind Lesben bekannt für dezente Zurückhaltung. Sie erhalten nicht die Aufmerksamkeit wie ein Mann, sie fordern sie aber auch nicht heraus. Und schweigen lieber - so, als gäbe es etwas zu verstecken. Jeder politische Verstand kapituliert vor der eigenen Person, und jegliche Verantwortung für die eigene Kaste wird ignoriert.
Zugegeben, Männer reagieren in der Regel noch dämlicher auf die öffentliche Rede einer lesbischen Frau als auf die eines schwulen Mannes. Jüngstes Beispiel: Hessens Minsterpräsident Roland Koch warnte nach der öffentlichen Klarstellung seiner lesbischen Kultusminsterin Karin Wolff davor, aus Homosexualität einen "Kult zu machen". Das klingt nach Dummheit und mangelndem Respekt.
Dabei wissen wir genau, dass sich in den Köpfen der Menschen erst dann etwas bewegt, wenn sie einen Menschen vor sich haben. Ein klares Wort von Klaus Wowereit hat für die Situation der Homosexuellen hierzulande mehr verändert als 20 Jahre Schwulen- und Lesbenbewegung. Das ist so, ob uns das passt oder nicht, und Wowereit wusste, dass die Rede vom Privaten nichts weiter ist als eine Lüge und eine Falle für Ängstliche und Feiglinge.
"Sein Privatleben interessiert mich nicht, wenn die nötige Diskretion gewahrt bleibt." Das ist der Standardspruch zu diesem Thema in unserer liberalen Gesellschaft. Die Phrase kommt souverän und aufgeklärt daher und stammt doch aus ganz anderer Zeit. Adolf Hitler reagierte dereinst mit diesen Worten auf die Information, dass sein SA-Chef Ernst Röhm schwul ist.
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