piwik no script img

die wahrheitWerbefeldzug der Reklamekrieger

Beim Taliban-Marketing wird der Käse mit vorgehaltener Maschinenpistole probiert.

Im Stil der Taliban werden verkleidete Werbeschauspieler mit verwackelter Handkamera gefilmt. Bild: reuters

Ganz plötzlich war sie da, die Liebe zu Maggi, überall, in der ganzen Stadt. "Maggi, ich liebe dich", war über Nacht an Brückenpfeiler, Fassaden, Bushaltestellen und U-Bahnhöfe gesprayt - in einer Häufigkeit, die an der Aufrichtigkeit des Liebesgeständnisses keinen Zweifel ließ. Doch die Angebetete war keine Frau - es war das neue Produkt eines nicht ganz unbekannten Herstellers von Tütensuppen.

Mit dieser unkonventionellen Werbemethode wollte der als behäbig geltende Nahrungsmittelriese bei der jungen Kundschaft punkten und mehr Aufmerksamkeit für seine Produkte generieren. Mit Erfolg, wie die Firma sagt: Die Besucherzahlen der Jungkunden im Maggi-Kochstudio hätten die Erwartungen weit übertroffen. Selbst hartgesottene Burger- und Döner-Fans konnten sich angeblich für die neue Champignoncremesuppe mit Ingwercurry erwärmen. Ganz Jung-Berlin träumt von der Suppe - behauptet jedenfalls Dirk Zatschke, Chief Executive Officer der Tütensuppen-Division.

Werbeaktionen wie diese nennt die Branche Guerilla-Marketing: Abseits der klassischen Kanäle wie Plakatwerbung, Zeitungsanzeigen und Fernsehspots versuchen die Firmen, mit möglichst abgedrehten Ideen an die Zielgruppe heranzukommen. Aber selbstverständlich ist das Ganze der branchenübliche Etikettenschwindel, ohne den Werbefuzzis offenbar nicht auskommen. Kein echter Guerillero würde sich mit derart Läppischem wie einer Spray-Aktion abgeben. Echtes Guerilla-Marketing, das diesen Namen wirklich verdient, sieht anders aus. Die Truppe um Javier Fernandez, die sich seit einiger Zeit anschickt, den deutschen Werbemarkt aufzumischen, hat an einigen Beispielen schon gezeigt, wohin die Reise geht.

Eines ist dem Kubaner mit den stechend grünen Augen schnell klar geworden, als er vor einem halben Jahr mit seinen acht Gefährten an Bord eines schrottreifen Kajütbootes nahe Bremerhaven anlandete: Mit HB-Männchen und Clementine lässt sich der deutsche Konsument schon lange nicht mehr hinter dem sprichwörtlichen Ofen hervorlocken. Da müssen härtere Kaliber ran.

"Werbung muss heute eine zupackende Art haben, wenn Sie wissen, was ich meine. Meine Jungs jedenfalls wissen genau, wann und wo sie zuschlagen müssen", verkündet der jugendlich wirkende Werbekrieger mit einem sympathischen Grinsen. Der Überfall auf die Fürst-Wrede-Kaserne in München, bei dem die Soldaten mit vorgehaltenen Maschinenpistolen gezwungen wurden, Bergspitz-Romadur auf Pumpernickel zu probieren, war erst der Anfang.

"Die Aktion war ein voller Erfolg", doziert Fernandez. "Die Soldaten konnten von dem Käse gar nicht genug kriegen. Aber mal ehrlich, Bergspitz-Romadur schmeckt auch wirklich klasse!" Commandante Javier, wie er von seinen Leuten voller Achtung genannt wird, hat aber noch ganz andere Werbefeldzüge organisiert. Die Aktionen brauchen zwar einen enormen kreativen Input, aber nicht viel Geld. Deshalb ist diese Methode besonders bei Unternehmen mit knappem Werbebudget beliebt.

So kaperte er mit seinen Männern im Auftrag des angeschlagenen Bezahl-Fernsehsender Premiere einen Schulbus, verschleppte die Schüler auf ein abgelegenes Waldgrundstück nahe Siegen und hielt sie 24 Stunden gefangen. Erst nachdem alle Jugendlichen einen Fünfjahresvertrag für ein Premiere-Abonnement unterzeichnet hatten, wurden sie wieder freigelassen. "Die Jungs waren von den Premiere-Programmpaketen ganz begeistert", berichtet Commandante Javier, der den Erfolg seiner Werbefeldzüge auf ihren radikal chic zurückführt.

Sein Konzept geht auf: Durch den Abenteuer-Effekt bleibt die Werbebotschaft deutlich länger im Bewusstsein der Konsumenten, belegt eine Studie des renommierten Instituts für Verhaltensforschung an der Universität Holzminden. Zudem erzählten die Gekidnappten auch ihren Freunden und Bekannten von der spannenden Aktion - ein von den Unternehmen besonders begehrter Effekt, denn das gilt als besonders werbewirksam. Einziger Haken - Neuigkeitsfaktor und Thrill der spektakulären Aktionen drohen sich abzunutzen. Das Karussell immer verrückterer Werbemethoden dreht sich immer schneller, die Werbespirale scheint langsam aber sicher selbstzerstörerische Ausmaße anzunehmen.

Doch Commandante Javier und seine Werbe-Guerilleros sind nicht um eine Antwort auf dieses Problem verlegen. Bei ihrem letzten Auftrag verzichteten sie bewusst auf jeglichen Schnickschnack und setzten ganz auf die rohe Kraft der revolutionären Authentizität.

Im Stil der Taliban filmten sie mit verwackelter Handkamera einen als Entführungsopfer verkleideten Schauspieler, der vor dem Logo der insolventen Sparding Bank einen Bankmanager mimte. Neben vermummten Terroristen mit Maschinenpistole im Anschlag sprach er das Testimonial, das der Beruhigung der aufgebrachten Kunden dienen sollte: "Leute, denkt immer daran - es gibt Schlimmeres im Leben, als seine Ersparnisse zu verlieren." Eine vorbildlich vertrauensbildende Werbemaßnahme, die sicher bald Nachahmer finden wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • GM
    Gretchen Meier

    nicht schlecht der letzte Absatz!

    Ich musste beim Lesen des Artikels automatisch an den Werbefeldzug der Reklamekrieger von Benetton in den 80ern denken, die damals aber nur indirekt abgebildet wurden. Der Erfolg der blutverschmierten T-Shirts mit Schusslöchern drin, die einen auf den riesigen Plakatwänden ansprangen, war aber eher eine gesunde Ablehnung, sich doch nicht ganz verarschen zu lassen. Seitdem hießen bei uns alle Mädels, die Benetton-Sachen trugen "Benetton-F" und die Firma war erstmal unten durch.