die wahrheit: Der homosexuelle Mann
… liebt die Verkleidung, die närrische Jahreszeit ist seine Zeit. Dann steigt er in sein Kostüm, um endlich bei sich anzukommen...
… liebt die Verkleidung, die närrische Jahreszeit ist seine Zeit. Dann steigt er in sein Kostüm, um endlich bei sich anzukommen. Die drei tollen Tage boten ihm selbst in gefährlichen Zeiten einmal die Gelegenheit, sich so zu geben, wie er sich fühlte. Und der Kölsche Schlachtruf "Jede Jeck es anders" versprach kurzzeitig Befreiung, als von schwuler Emanzipation noch keiner reden durfte.
Jetzt ist es wieder so weit, und der homosexuelle Mann ist inzwischen ganz offiziell mit dabei. Düsseldorfs Karnevalsprinz heißt in dieser Session Lothar I., hinter ihm steht die schwul-lesbische Karnevalsgesellschaft "Regenbogen", mit 450 Mitgliedern die drittgrößte überhaupt in der Stadt. In Frankfurt am Main wird die Inthronisierung von Torsten I. in der schwulen Gemeinde mit "Wir sind Prinz!" gefeiert, und selbst in der Münsterländer Provinz sind Krone und Zepter fest in schwuler Hand: In Hohenholte im Kreis Coesfeld führen das Prinzenpaar Jochen und Michael die Karnevalisten durch die trunkenen Tage.
Auch Sitzungen, auf denen sich neben den Umzügen das wirkliche Narrenleben entfaltet, können inzwischen im exklusiv schwul-lesbischen Rahmen gefeiert werden. Die "Rosa Sitzung" war die erste ihrer Art und steht seit 1995 auf dem Programm des Kölschen Karnevals. In Essen wird in diesem Jahr die "Lila Sitzung" zum dritten Mal gefeiert, und die Frankfurter Regenbogensitzung "Da zucke die Tucke" ist wie jedes Jahr lange vorher ausverkauft. Im "Koblenzer NarrenbunT", einem der ersten schwul-lesbischen Karnevalsvereine in Deutschland, heißt der Elferrat "Sixpack", der Karnevalsruf "Koblenz olau - waaaaarm", statt der begehrten Karnevalsorden werden hier Taschenwärmkissen verliehen, und zu den Wahlen für das Funkenmariechen ist für das kommende Jahr erstmals ein Mann zugelassen, "Marie Funk" vom "NarrenbunT".
Doch einmal im Jahr reicht dem homosexuelle Mann nicht aus, längst hat er sich mit dem CSD einen weiteren Karnevalstermin erobert, und zwar bundesweit. Alkohol- und Drogenrausch auch hier, Umzüge mit Kamelle und Kondomen und bunten Kostümen, die einen schon auf den ersten Blick betrunken machen. Just aus Köln kommt dieser Tage die Order, dem besonderen CSD-Treiben einen Riegel vorzuschieben. Die lokalen Veranstalter, der "Kölner Lesben- und Schwulentag e.V.", haben eine sogenannte CSD-Charta beschlossen, die künftig den Sommerumzug in korrekte Bahnen lenken soll. "In der CSD-Parade ist kein Platz für frauenverachtende, rassistische und gewaltverherrlichende Darstellungen.", heißt es im § 2 der Charta, während § 3 das "verbotene Verhalten" festlegt: "Sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit, die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, die Einnahme illegaler Drogen."
Damit begeben sich die Veranstalter auf gefährliches Terrain: Fetischfreunde müssen künftig auf ihre Kostüme verzichten, "Jugendgefährdendes" findet sich - wenn man will - in jeder x-beliebigen Homo-Postille. Und Drogen? Welche Drogen? Aber es kommt noch schlimmer: Im § 3 wird eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei versprochen, um "im zumutbaren Rahmen für die Einhaltung dieser Charta zu sorgen." Polizeistaat Alaaf!
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