piwik no script img

die wahrheitSchwabinger Krawall: graugrüner Schlamm, gelbgrüne Wolken

Zwei Wochen lang hat die Jacqueline dem Jackie jeden Tag am Telefon erzählt, dass sie eigentlich Sehnsucht nach ihm habe und es unter Umständen noch mal mit ihm probieren wolle und jedenfalls ihre Eltern auch nicht mehr aushalte...

... Aber wie sie am Sonntagvormittag angerufen hat, sie komme um sechs am Hauptbahnhof an und er solle sie abholen, war er so verdattert, dass er ja gesagt hat, ohne daran zu denken, dass er seit dem Ferrari-Schorsch seinem 40., wo er um fünf Uhr früh verkehrt rum in die Haimhauserstraße hineingerauscht ist, einen Sanker weggehupt, einen Hydranten umgefahren und den Polizisten laut Protokoll beim Wegrennen komische Wörter nachgerufen haben soll, gar keinen Führerschein mehr hat.

Nach dem fünften Kaffee hat er begriffen, dass das Auto keine Rolle spielt, wenn die Jacqueline die Wohnung in diesem Zustand vorfindet; deshalb hat er die leeren Bierkästen, Red-Bull-Dosen und Wodkaflaschen weggetragen, den Staubsauger angesteckt und als Erstes seinen Hausschlüssel eingesaugt. Beim Versuch, das Ding mit einem Schraubenzieher aufzukriegen, ist er nach einem lauten Knacken in einer Wolke aus Staub, Dreck und Fusseln gestanden und hat bemerkt, dass die Waschmaschine angefangen hat, wie wild in der Küche herumzuspringen und links und rechts eimerweise Wasser auszuspucken, und vor Verzweiflung hat er sich draufgesetzt wie ein Rodeoreiter und den Hubsi angerufen und gefragt, was er machen soll. Der hat gesagt, er solle den Wasserhahn zudrehen und ihn in dieser Herrgottsfrühe kreuzweise am Arsch lecken.

Das Wasser hat immerhin den Staub gebunden, und so hat er drei Stunden lang graugrünen Schlamm aufgewischt und beschlossen, dass vor allem das Bett einigermaßen ausschauen muss. Wie er die Matratze gesehen hat, ist ihm klargeworden, dass ihn die Friseuse vorgestern nach einem Tuch gefragt und deswegen so kariert geschaut hat, wie er gesagt hat, ein Buch habe er schon, das sei aber eher nichts für sie. Mit Spülwasser ist der Fleck rosa, aber noch größer geworden, und drum hat er den Hubsi angerufen, dass er ihm seine Matratze leihen und ohne Fragen sofort antanzen müsse.

Weil in der Mülltonne kein Platz war, hat der Jackie die Matratze zerschnitten und versucht, sie im Kachelofen zu verbrennen, woraufhin er, als es geklingelt hat, die Tür auswendig hat finden müssen, weil er vor gelbgrünem Rauch nichts mehr gesehen hat. Der Hubsi hat gefragt, wo er das Teufelszeug herhabe, das er da rauche, und dass er keine Matratze besitze, dafür aber Bier mitgebracht habe und der Jackie gefälligst die Fenster aufmachen solle. Wie dann die Feuerwehr gekommen ist und die Polizei gerufen hat und der Jackie eine Anzeige wegen Fehlbeschickung einer Feuerungsanlage gekriegt und von der Anstrengung und dem Bier ganz gaga war, haben sie beschlossen, dass eh alles egal ist, und sind zum Renato einen Caipi zischen.

Und am nächsten Vormittag, wie der Jackie heimgekommen ist, ist ihm eingefallen, dass sein Haustürschlüssel noch in dem Staubsauger war; deshalb ist er die nächsten Tage zum Hubsi gezogen und hat nicht mitgekriegt, ob die Jacqueline zwischendurch tatsächlich kurz mal da war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!