die wahrheit: Der gecremte Krisenflüsterer
Faszinierende Facetten des fränkischen Freiherrn Karl-Theodor zu Guttenberg.
Senkrechtstarter, Stimmungsmacher, Hoffnungsträger, Überflieger - welcher Politiker wird in letzter Zeit von der Presse mit derart liebedienerischen Attributen überhäuft? Richtig, der Landjunker aus dem Oberfränkischen. Und mit ihm hat der Duft der großen weiten Welt Einzug gehalten in den Berliner Amtsstuben. Denn der Freiherr spricht Englisch, dies auch noch fließend, und seine mit der Muttermilch aufgesogenen aristokratischen Umgangsformen sind einfach hin-rei-ßend. Findet jedenfalls SZ-Reporter Thomas Öchsner. "Was sofort auffällt, ist die Haltung. Die Schultern sind straff, das Kreuz durchgedrückt, bei seinen öffentlichen Auftritten steht Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg stets kerzengerade. Ein Mensch mit Disziplin, das ist der erste Eindruck. Hinzu kommt das Erscheinungsbild, die guten Anzüge, die vollendet gebundenen Krawatten, die Hemdkragen, die akkurat nach hinten gekämmten, gegelten Haare. Alles sitzt. Wenn der neue Bundeswirtschaftsminister den Raum betritt, richten sich sofort viele Blicke auf ihn." Nur die des SZ-Reporters nicht, denn der ist derweil vollauf damit beschäftigt, das vollendet geschnürte Schuhwerk des Freiherrn abzulecken.
Die Medien sind sich einig: Karl-Theodor, Karl-Theodor, der steht bei uns im Fußballtor, doch wie der Schuss auch fällt, Karl-Theodor, der hält. Dieser Mensch von altem Adel kann und wird uns durch das tiefe Tal der Tränen führen, er und nur er kann der gebeutelten Nation den Krisenflüsterer geben. Und so bleibt es mal wieder an der Wahrheit hängen, die dunklen Aspekte der Lichtgestalt auszuleuchten, die Fettnäpfchen zu benennen, die der fränkische Freiherr nicht immer ganz stilsicher zu umschiffen vermag, aber auch die heiteren Momente im Leben dieses so überaus ernsten und pflichtbewussten Sympathieträgers zu dokumentieren.
Als ihn Oberstudienrat Frommert in der 9. Klasse des Gymnasiums mit den Worten "Karl-Theodor Jessica Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg, warum haben Sie heute keine Hausaufgaben?" zur Rede stellte, antwortete der fünfzehnjährige Adelsspross mit deutlichen Anzeichen äußerster Indignation. "Offenbar, Herr Oberstudienrat Frommert, sind Sie es, die Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Zum wiederholten Male sind Sie nicht willens oder in der Lage, meinen Namen korrekt wiederzugeben. Ich möchte doch dringend darum gebeten haben, in Zukunft mit Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg angesprochen zu werden!"
Nach weiteren eher unerfreulichen Auseinandersetzungen während des Schuljahres zog es Frommert vor, den Schuldienst zu quittieren und sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen zu lassen. Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg aber machte unbeirrt seinen Weg.
Neben dem häuslichen Gelfass (der Freiherr ist Großabnehmer und bekommt die Pomade barrelweise geliefert) scheinen auch Fettnäpfchen andererer Art eine geradezu magische Anziehungskraft auf den alerten Adeligen auszuüben. Wie die SZ vom Hofe des Freiherrn zu berichten weiß, verabschiedete er die britische EU-Handelskommissarin Catherine Ashton, eine Baronesse, formvollendet mit Handkuss.
Bei anderer Gelegenheit aber bewegte er sich nicht ganz so stilsicher auf dem diplomatischen Parkett. Bei der Begrüßung im Bundeskabinett tätschelte er Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen minutenlang den Oberarm und starrte dabei unverwandt auf ihr Dekolleté. Auf den Kasus angesprochen, erwiderte der Wirtschaftsminister mit der für ihn so typischen undurchdringlichen Mine: "Ich bin von einer unersättlichen Neugierde getrieben, und die wird momentan sehr bedient. Aber das war kein Fehler, der mir die Schweißperlen des gemurmelten Himmelswillens auf die Stirne treiben würde." Mit diesem entwaffnend offenherzigen Statement hatte der Freiherr seinen Möchtegernkritikern mal wieder elegant allen Wind aus den Segeln genommen. Ein Wind, der den Gel-Meister allerdings in ungeahnte Höhen befördert, ist Guttenberg doch inzwischen, wie die SZ am 16. März 2009 behauptete, "der Franck Ribéry der CSU".
Als Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sich letzthin in Berlin mit Vertretern des Opel-Managements traf, um über mögliche Rettungsmaßnahmen zu beraten, fasste der Minister das Ergebnis der mitternächtlichen, dreieinhalbstündigen Diskussionsrunde mit den denkwürdigen Worten zusammen: "Ich bin, obwohl Ostern näher rückt, weit davon entfernt, ungelegte Eier bereits so bunt anzumalen, dass man darüber sprechen könnte. Aber eines, meine Herren, gilt heute noch wie vor 80 Jahren und es sei Ihnen deshalb mit allem Nachdruck ins Stammbuch geschrieben - jeder Popel fährt Opel, jeder Lord fährt Ford."
Dass dieses unnachahmlich espritgeladene Bonmot bei den Top-Opelanern nicht gerade auf begeisterte Zustimmung stieß, sondern sie eher vor den Kopf, erscheint allerdings nur zu verständlich. Wir dürfen also gespannt sein auf die weiteren Krisenbewältigungen des forschen Franken …
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