die wahrheit: Der tiefernste Hochwohlgeborene
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Freiherr von und zu Guttenberg
Es gibt eine Anekdote, die schon vor 2.000 Jahren das Licht der Literatur erblickte und sich seither durch alle Anekdotensammlungen frisst. Sie handelt von Kaiser Augustus, dem eines Tages in der dicksten Provinz ein Mann begegnete, der ihm wie eine Krähe der anderen glich. Heute ist es der unlängst vom Stapel gelaufene Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg, dem die alte Geschichte in die Schuhe geschoben wird. Danach traf der Minister bei irgendeinem sektgeschwängerten Empfang den Fußballer Lothar Matthäus, der wie er aus Franken herrührt, und erbleichte, wenn er nicht gar erblich. Der Freiherr vermeinte in einen Spiegel aus Fleisch und Blut zu sehen. Schnell aber fasste sich Seine Erlaucht und stellte dem Sportler die spitze Frage: "Sag Er, Seine Mutter war wohl einmal auf unserem Schlosse tätig?" - "Nein", erwiderte der Gefragte, "aber mein Vater!"
Selbstredend ist das nur eine - im Grunde längst altersmüde - Anekdote, die stets aus dem Schrank geholt wird, wenn es eine frappante Ähnlichkeit zwischen einer bedeutenden Persönlichkeit und irgendeinem Politiker zu erklären gilt. Jede Spekulation über eine bereits vor der Wiege angelegte Verwandtschaft der beiden, auch wenn sie wie voneinander abgepaust aussehen, ist reine Spekulation. Tatsächlich dürften Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jakob Philipp Franz Joseph Olmbapf Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg, so der mehr als volle Name, und Lothar Herbert Eusebius Karl Theodor Camilla Franz Joseph Olmbapf Sylvester Matthäus nichts miteinander zu tun haben. Ihre einzige Gemeinsamkeit, neben den gleichgestimmten Gesichtern, ist, dass man ihre Namen schön durch den Kakao schleifen kann.
Sonst aber trennt eine Welt aus blauem Blut den hochwohlgeborenen Minister von dem einfach geborenen Fußballspieler, dessen Vorfahren schon bei den Großeltern in der Sackgasse enden. Wie anders von und zu Guttenberg, dessen Ahnen bereits vor 850 Jahren, im tiefsten 12. Jahrhundert, auf der Burg Guttenberg nahe Kulmbach dingfest waren! In jener blühenden Zeit durften die hohen Herren ihre Untertanen noch zum Mittagessen verspeisen. Aber auch heute hat sich die Liebe der schlicht gebauten Bevölkerung zum angestammten Herrscherhause gehalten. Mit einer Mischung aus Neid und noch mehr Neid blicken sie von unten empor zu dem edel geschneiderten Leben der Guttenbergs und staunen sich die Augen aus dem Leib, wenn sich der Freiherr mit seiner Gemahlin Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen frisch gebürstet dem Volke zeigt. Lothar Matthäus Frau dagegen heißt ganz anders.
Ganz anders auch das Auftreten des stets fein gewickelten Freiherrn. Gewiss gibt sich Lothar Matthäus Mühe, wenn er sich vor der Öffentlichkeit aufbauen muss. Aber ein im eigenen Schweiß lebender Fußballer riecht immer aus dem Anzug. Dagegen von und zu Guttenberg! Er scheint bereits im Zwirn zur Welt gekommen zu sein. Wenn er sich morgens von der Gattin erhebt und in seinen Beruf strebt, muss er nur mehr sein minutiös nach hinten gekipptes Haar polieren, sein aus aufrechtem Marmor gebackenes Gebiss bohnern und seine von den vornehmsten Tieren abstammenden Wildlederschuhe anziehen, die an keiner Stelle quietschen.
Ob der Freiherr die nackten oder bedeckten Füße jemals an einen Ball hielt, ist nicht bekannt. Ebenso zweifelhaft ist, ob er jemals einen Arbeitsplatz von innen gesehen hat. Sicher ist lediglich, dass von und zu Guttenberg bei den Mittenwalder Gebirgsjägern seinen Wehrdienst auf goldenen Skiern abrollte und es bis zum Unteroffizier von und zur Reserve brachte, woraufhin er an der schönen Universität Bayreuth, die sich in der gleichnamigen Stadt befindet, eine Juradissertation summa cum und zum laude zurechtsägte sowie in der mit 600 Millionen ausgefütterten Vermögensverwaltung der im Familienbesitz befindlichen Familie sich umtat.
Damit hätte von und zu Guttenberg den Deckel bereits zumachen können. Doch nein! Um sein Dasein etwas aufzublasen, beschloss er, Politiker zu werden; weil er mit vollem Portemonnaie an der gewohnten Ordnung hängt, selbstverständlich im schwarzen Namen der CSU. 2002 trabte er für sie in den Bundestag, was freilich außer ihm kaum ein öffentliches Auge bemerkte. Dann aber knallte der Korken in seinem Leben: Erst wurde er im November 2008 Generalsekretär seiner verrückten Partei, dann ernannte ihn Horst Seehofer im Februar 2009 sogar vom und zum Bundeswirtschaftsminister.
Anders als Michael Glos, der leere Luft verbreitete, führt der schnell in Gang gebrachte Minister von und zu Guttenberg keine stumme Lippe, sondern lässt überall seinen Schnabel leuchten. Mehr als durch die Welt zu hopsen und mit wohlgeformten Worten um sich zu werfen, kann er allerdings nicht tun. Außer vielleicht ein milliardenfettes Benefizspiel für Opel aufs Tapet zaubern! Jemand in der weiteren Familie, so weiß die Anekdote mit gespaltener Zunge, könnte das für ihn ankurbeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut