die wahrheit: Genießt jede Minute, genießt England
Wenn man Touristen anlocken will, muss man ihnen etwas Besonderes bieten. So dachte sich das Fremdenverkehrsamt des südenglischen Seebads Bournemouth. Ein Weltrekord wäre nicht schlecht...
... Noch besser, wenn er auch ins "Guinness-Buch der Rekorde" eingetragen würde, jenes Buch, in dem die größten Narreteien der Menschheit versammelt sind.
Wie etwa die meisten gezündeten Feuerwerkskörper in weniger als einer Minute. In Bournemouth wollten sie vorige Woche 110.000 Raketen abfeuern, fast doppelt so viele wie beim bisherigen Rekord aus dem Jahr 2006 in Plymouth. Das Megafeuerwerk sollte sogar vom Weltraum aus zu sehen sein. 175.000 Zuschauer wollten das Spektakel sehen, das als "Roar on the Shore" angekündigt war - das Dröhnen an der Küste.
Nach sechs Sekunden war alles vorbei. Es gab einen Knall und einen riesigen Blitz, als ob eine Bombe explodiert war. Dann brannte der Frachtkahn ab, von dem die Raketen abgefeuert worden waren. Das brennende Boot sei das Aufregendste an diesem Abend gewesen, meinte ein Zuschauer, der das großspurige Ereignis kurzerhand in "Bore on the Shore" umtaufte - die Langeweile an der Küste. "Wer im falschen Moment auf seine Armbanduhr schaute, hat alles verpasst", meinte er.
Jon Culverhouse, Geschäftsführer der Firma "Fantastic Fireworks", die den teuren Knall organisiert hatte, gab dem Wetter die Schuld. Diesmal war es aber nicht der Regen, der beim Versagen englischer Sportler oder beim Ausfall von Zügen stets als Entschuldigung herhalten muss, sondern der fehlende Regen. Weil die Pyromanen mit dem üblichen Unwetter gerechnet hatten, hielten sie die Zündschnüre sehr kurz. Wegen der unerklärlichen Trockenheit ging dann alles gleichzeitig hoch.
"Vielleicht sind nicht alle Erwartungen erfüllt worden", vermutete ein Sprecher des Fremdenverkehrsamts, "aber wir haben den Rekord gebrochen. Das ist doch fantastisch." Das fanden die Besucher nicht. Sie steckten danach nämlich drei Stunden im Stau, bevor sie endlich aus der Stadt herauskamen.
Sie hätten sich zur Beruhigung ein Fläschchen "By George" einstecken sollen. Das ist eine Art Parfüm, das der englische Tourismusverband ausgeheckt hat: "Eine Reise durch einen englischen Garten am Meer mit Noten einer salzigen Meeresbrise und Untertönen von Minze, Mohrrüben, roten Beeten und frisch gemähtem Gras", sagte Amanda Smyth, die eine Tourismuskampagne namens "Genießt jede Minute, genießt England" leitet. Außerdem hat man Abgase vom Rasenmäher beigemischt. Die Herstellung der Flaschen, von denen es lediglich 30 Stück gibt, kostete 8.500 Pfund.
"Wir wollten die Macht des Geruchs wegen ihres großen emotionalen Gewichts erkunden", sagte Smyth. "Es ist eine Symphonie der aufrüttelndsten Gerüche der Nation." Sie hätten den Stinkefläschchen noch eine Dosis Kotzgeruch beimischen sollen, um ihnen in Anbetracht englischer Innenstädte am Wochenende noch etwas mehr Authentizität zu verleihen.
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