piwik no script img

die wahrheitKlumpiges aus vielen Ländern

Es fing an zur Zeit der Mondprojektionen. Für diejenigen, die zu jung sind, um sich daran erinnern zu können, sei hinzugefügt, dass es auch die Zeit der Diskussionen über Glühbirnen war.

Oder der Diskussionen unter Glühbirnen, denn nicht wenige gebrauchten damals die unsachlich anmutende Formulierung "das Gespräch der Glühbirnen, als es dunkel war". Zur endgültigen Klärung des Begriffs sowie der Folgen wurde ein Rechtsanwalt hinzugezogen.

Entgleiste jugendliche Güterballons tauchten im Scheinwerferlicht auf. Ihr Anführer trat vor und verlangte mit dampfendem Atem einen Anwalt zu sprechen. Der einzige Anwalt auf dem ganzen verdammten Projektionsmond war aber der, den man zur Begriffsklärung hinzugezogen hatte.

Nun auch noch entgleiste jugendliche Güterballons vertreten zu müssen, war einfach zu viel für ihn. Nachts lief er in seinem engen Badezimmer auf und ab, immer wieder denselben Satz wiederholend: "Es ist alles viel zu viel!" Daran werden sich einige der jüngeren Leute gewiss noch erinnern.

An diesem Punkt wusste sich der Anwalt nicht mehr allein zu helfen. Zum ersten Mal in seinem Leben musste er die Hilfe eines Ratgebers in Anspruch nehmen. Der einzige Ratgeber auf dem ganzen verdammten abscheulichen Mond war ein zierliches blondes Mädchen.

Auf berufstypisch geheimnisvolle Weise empfing es den Anwalt unter der Radarstation, wo es sehr staubig und, ehrlich gesagt, etwas unaufgeräumt war. Klumpiges aus vielen Ländern lag herum. Interessant war die Sprachregelung, der das Ratgeber-Mädchen folgte. Es sagte nämlich nicht "Klumpiges aus vielen Ländern", sondern – nach der jüngeren Übersetzung: "Stück von viel des Landes".

"Schildern Sie mir Ihre Not", sprach das Mädchen dann aber gut verständlich. Also begann der Anwalt: "Entgleiste jugendliche Güterballons tauchten im Scheinwerferlicht auf." Schon unterbrach ihn das Mädchen und verbesserte: "So drückt man sich nicht mehr aus. Heute sagt man: ,Fehlgeleitet der Ballone von Waren der Jugend entstand im Bündel des Projektors.' Aber ich verstehe, was Sie meinen."

Abschließend erteilte sie dem Anwalt den Rat: "Lassen Sie weg die Linie der Ballone der Waren von Jugend im Strahl des Lichtes des Projektors, wenn die Notwendigkeit ist."

Die Not des Anwalts wurde dadurch indessen nicht gelindert, sondern griff sogar aufs Vorhemd über. Und dann kam zu allem Überfluss noch der pausenlose Schneefall auf dem abscheulichen Mond hinzu. Oder wie das Ratgeber-Mädchen gesagt hätte: "Der Rechtsanwalt fügte noch ununterbrochenen Schnee im schrecklichen Mond hinzu."

"Der Schnee dort bestand aus Fleisch", berichtete der Anwalt später, "aus klumpigem Fleisch." Dann zog er sich in sein enges Badezimmer zurück, um auf einem kleinen Schwarzweiß-Monitor die Nachfahren der entgleisten jugendlichen Güterballons zu überwachen. Denn das war inzwischen seine Profession. So jedenfalls sprachen die Glühbirnen zu einander, als es dunkel war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • HN
    Herr Nu

    Hoch lebe der große Eugen Egner.