die wahrheit: Im Jahr des Tigers: Sommerwunsch
Wenn ich heutzutage nach Deutschland fliege, nehme ich eine Maschine nach Berlin. Vor zwei Jahren gab es aber noch keine Direktverbindung...
... Also flog ich über Frankfurt. Hier parkte das Flugzeug jedes Mal auf einer Außenposition des Flugfelds, damit die Passagiere direkt am Ausstieg zur Gangway von Bundesgrenzschützern kontrolliert werden konnten. Dabei musste allerdings nur seinen Pass vorzeigen, wer irgendwie asiatisch aussah. So sollte offenbar verhindert werden, dass jemand ohne Visum überhaupt die eigentliche Grenzkontrolle im Flughafengebäude erreichte, wo er einen Antrag auf Asyl im sowieso schon rigorosen Flughafenverfahren hätte stellen können.
Genau kann ich das nicht sagen, denn als ich einmal einen der bushidofrisierten Grenzschützer nach dem Grund befragte, knarzte es nur: "Das machen wir schon immer so." Besonders unangenehm an dem Vorcheck war, wie herablassend die Grenzschützer meine chinesischen Mitpassagiere behandelten. Und dass jeder, der irgendwie germanisch aussah, durchgewunken wurde.
Ich habe keine Ahnung, ob man das in Frankfurt immer noch so handhabt. Ich weiß aber, dass man bei der Einreise nach China nicht so behandelt wird. Hier findet im Vorfeld keine Selektion statt, und jeder wird bis zur Grenzkontrolle vorgelassen. "Ist doch klar", mag man einwenden, "China ist arm, und die Menschen dort werden brutal unterdrückt. Deshalb gibt es auch keine illegale Einwanderung."
Das ist allerdings ein Irrtum. Wie die chinesische Global Times jüngst berichtete, reisten in diesem Jahr bereits über zehntausend Migranten illegal allein in die im Südwesten Chinas gelegene Stadt Chongzuo ein. Die grenzt an Vietnam, und so kommen hier hauptsächlich Vietnamesen über die grüne Grenze. Sie arbeiten auf den Zuckerrohrfeldern der Region, wo aufgrund der anhaltenden Landflucht Arbeitskräftemangel herrscht. Andere schlagen sich bis in die Provinz Guangdong durch, um in den dortigen Fabriken mehr als das Dreifache des vietnamesischen Lohns zu verdienen. Nach offiziellen Statistiken lebten im Jahr 2004 auch ungefähr zwanzigtausend illegale Afrikaner in Guangdong. Ihre Zahl wuchs seitdem pro Jahr um dreißig bis vierzig Prozent, sodass man inzwischen von etwa Achtzigtausend ausgehen kann.
So wie in Europa und im Rest der Welt werden selbstverständlich auch in China illegale Ausländer außer Landes gebracht, sollte man ihrer habhaft werden. Allein aus der Provinz Guangxi schoben die Behörden im vergangenen Jahr über zweitausend Illegale ab. Allerdings mehren sich in China die Stimmen, die dafür plädieren, den Migranten ordentliche Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen zu geben. Das findet natürlich meinen Beifall, auch weil es bedeuten könnte, dass bei anhaltendem chinesischen Wirtschaftswachstum eines Tages ein paar ehemalige deutsche Grenzschützer in Peking auf dem Flughafen stehen und die hiesigen Grenzbeamten um Aufnahme bitten. Dann stünde ich gern daneben und sähe mir das Mienenspiel auf den Gesichtern an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“