die wahrheit: Ölfass de luxe
Betörende Parfums für eine neue automobile Zeit.
Sascha Dürnbaum ist stolz auf sein schnurrendes Elektromobil. Es bietet alles, was ein Autofahrer heutzutage braucht: Beschleunigung wie ein Benziner, es schont die Umwelt und ist für die Fahrt zur Stammkneipe absolut ausreichend.
Das Einzige, was Dürnbaum fehlt, wenn er sein quietschgrünes Fahrzeug an die Ladestation anschließt, ist der Geruch nach Benzin und Öl. Der Sohn eines Tankstellenpächters hat diesen herb-männlichen Geruch mit der Muttermilch aufgesogen. "Ich bin ja praktisch zwischen den Zapfsäulen aufgewachsen, meine Wiege stand direkt neben dem Altölfass."
So wie ihm geht es tausenden Haltern von Elektrofahrzeugen, die sich mit der seelenlos-sterilen Welt der geruchsneutralen Aufladestationen nicht anfreunden können. "Wie war das früher schön", klagt etwa der 54-jährige Dieter Schmalhaus, "wenn nach dem Tanken die Hände nach Diesel geduftet haben." Heute, im Zeitalter der aseptischen Ladekabel und Steckdosen, gehört dieser sinnliche Genuss des Auftankens längst der Geschichte an.
Doch diese bedauerliche Verarmung der Freude am Fahren kann nun mit leichter Hand behoben werden. Die Autoindustrie hat auf die Kundenwünsche reagiert und einige der renommiertesten Parfümeure beauftragt, Herrendüfte zu entwickeln, die das Verlangen des Elektroautomobilisten nach Motorendunst und Abgaswolken stillen sollen.
Heidrun Graunert ist die Chefin von ADI: Automobile Düfte International ist eine mittelständische Firma im württembergischen Sindelfingen, die den Markt für Autoparfums beherrscht. "Der olfaktorische Aspekt des Autofahrens ist noch völlig unterbewertet", findet die gelernte Diplom-Chemikerin, deren Parfümeure für nahezu alle großen Autofirmen Düfte entwickeln, die das Herz des Oktan-Junkies höher schlagen lassen. "Gerüche sind aufs engste mit Emotionen verbunden.
Und da Kaufentscheidungen beim Menschen eher emotional gesteuert werden, bietet es sich für Verkaufsstrategen geradezu an, Kunden über olfaktorische Reize auf den Markenkern einzustimmen." Entscheidend sei es, den Stil einer Marke in einen Duft zu übersetzen. Ein Audi-Parfum muss anders riechen als eines von Peugeot oder Daihatsu.
Die Kunst des Parfümeurs besteht darin, aus der riesigen Auswahl an Grundessenzen die markentypischen herauszufiltern und zu einem stimmigen Duftakkord zu verschmelzen. "Nehmen wir zum Beispiel ,Kerosin', das neue Audi-Parfum", erläutert Graunert und greift nach dem Flakon in Form einer Zapfpistole. "Ich sehe etwas Silbernes in diesem Duft, etwas Cooles, Technisches. Diese Komposition haben wir mit einer filigranen Kopfnote aus Bremsbelag-Abrieb und einem Hauch von Frostschutzmittel erreicht.
,Asphalt' dagegen", hier greift Heidrun Graunert zu einem Miniatur-Ölfass mit Sprayvorrichtung, "der neue Fiat-Duft, betört durch seine männliche Teernote und Spuren von verbranntem Gummi. Ein Duft, der auch bei der weiblichen Kundschaft bestens ankommt."
Der Kunde, der ein Fläschchen Auto-Parfum kauft, ahnt meist gar nicht, wie viel Arbeit darin steckt. Endlose Versuchsreihen, in denen 2.000 bis 3.000 natürliche und synthetische Geruchsnoten von Kautschuk über Petroleum bis hin zur Fußmatte in immer neuen Kombinationen gemischt werden, sind notwendig. All diese Düfte reagieren dann oft auch noch völlig unberechenbar miteinander - die Möglichkeiten, ein neues Parfum zu kreieren, sind unzählbar.
Einer, der die Kunst der vollendeten Duftkomposition in Perfektion beherrscht, ist Raimund Klopfer. Er ist der Superstar der Szene, der mit legendären Parfums wie "Oktan" oder "Additiv" Duftklassiker geschaffen hat, die auch nach Jahrzehnten noch Reminiszenzen an die Ära der Verbrennungsmotoren aufleben lassen werden.
Seine neueste Kreation heißt "Otto", ein Duft zu Ehren des großen Erfinders. Klopfer nimmt die schlichte, aus einem Glasblock geschnittene Parfumflasche in Form eines Zylinders und sprüht etwas auf einen Duftstreifen. Er wedelt, schnuppert, wedelt noch einmal und saugt den betörenden Duft von edlen Schmierstoffen in seine Lungen. Er wirkt zufrieden, im Reinen mit sich und der Welt. Was beglückt ihn, den Meisterparfümeur, am meisten? "Der Moment, wenn ich auf einer Party einem fremden Menschen begegne und er oder sie mich fragt, ob ich als Automechaniker arbeite."
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