die wahrheit: Ein Drink-In mit dem Premierminister
Es war einfach zu früh für ihn. Der irische Premierminister Brian Cowen gab vorige Woche in der Radiosendung "Morning Ireland" ein Interview über die Sparmaßnahmen seiner Regierung ...
... Es wäre besser gewesen, hätte er die Sendung "Evening Ireland" dafür gewählt. So wurde es ein denkwürdiges Gespräch. Selten hat ein Regierungschef ähnlich wirres und unzusammenhängendes Zeug von sich gegeben. Dann verwechselte er auch noch das "Croke Park Agreement", ein Pakt zwischen der Regierung und den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, mit dem "Good Friday Agreement", dem nordirischen Friedensabkommen.
Kaum war das Interview gesendet, da schrieb ein Oppositionspolitiker auf Twitter, der Premierminister habe geklungen, als sei er auf halbem Weg zwischen Volltrunkenheit und Kater. Cowen hatte seine Parteikollegen am Vorabend im westirischen Galway zu einem "Think-in" versammelt, um über den schlechten Zustand des Landes, vor allem aber seiner Partei, nachzudenken. Es wurde ein "Drink-in", das bis vier Uhr morgens dauerte. Ein Freund Cowens sagte, nachdem er das Interview gehört hatte: "Mein erster Gedanke: Das waren zwölf Bier, 20 starke Zigaretten und sechs Strophen eines Volkslieds."
Einer, der bei dem Gelage dabei war, sagte, Cowen habe lediglich acht Pints Bier getrunken. Das sind immerhin fast fünf Liter, also etwa so viel, wie ein Kleinwagen auf hundert Kilometern verbraucht. Der Rest aber stimme: Cowen habe lauthals gesungen, viel geraucht und mehrere Zeitgenossen imitiert, unter anderem den Golf-Profi Philip Walton, der nun eine Entschuldigung von Cowen verlangt.
Der Premier räumte am Tag nach der Radiosendung zerknirscht ein, dass es nicht sein bestes Interview gewesen sei: "Ich war sehr heiser." Und vielleicht auch verkatert? "Aber nein, überhaupt nicht. Ich entspanne mich manchmal mit Freunden. Ich mache normale Sachen, die normale Menschen tun." Genau das sei ja das Problem, meinte ein Parteikollege: "Vor ein paar Jahren standen sie bei uns Schlange, um das Geheimnis unseres Wirtschaftsbooms herauszufinden. Nun machen sie Witze über die trunksüchtigen Iren. Wenn wir jetzt wieder Schweine im Wohnzimmer halten, sind wir da, wo wir angefangen haben."
John Gormley, Chef der Grünen, die Teil der abgehalfterten Regierungskoalition sind, sagte einen seiner seltenen vernünftigen Sätze: Die Kontroverse über das Interview lenke von den wirklich wichtigen Problemen ab, mit denen die Regierung konfrontiert sei. Die Probleme sind hausgemacht - von Cowen. Er ist der Gordon Brown Irlands. Wie sein britischer Kollege war er lange Jahre Finanzminister, und als das Schiff zu sinken begann und die Premierministerratten absprangen, wurden beide plötzlich in das höchste Amt katapultiert. Internationale Bankexperten bescheinigten Cowen, dass seine törichte Steuer- und Finanzpolitik der Hauptgrund für Irlands Ruin sei. Da muss man ja zum Alkohol greifen.
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