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die wahrheitWeiße Terrorkragen

Kriegsreport aus Afghanistan. Die Höllenbanker vom Hindukusch.

Mit Bergen von Geld versuchen die Finanztaliban, die Weltwirtschaft endgültig zu unterminieren. Bild: reuters

Der Kontrast könnte größer nicht sein: Inmitten der Stein- und Geröllwüste des Grenzgebiets zwischen Afghanistan und Pakistan, umgeben von martialisch wirkenden Gotteskriegern und allerlei Kriegsgerät, steht ein makellos weißer Bürocontainer. Ein ins Nichts gefallener Sendbote des Westens, bewacht von einem bis an die Zähne bewaffneten Turbanträger.

Im Inneren des High-Tech-Kubus herrscht geschäftiges Treiben wie in einem Frankfurter Handelsraum. Männer im Businessanzug sitzen an den Monitoren, unverständliche Fachausdrücke schwirren durch die Luft, irgendwo im Eck wimmert die Klimaanlage. Die Männer an den Computern kommen aus Herne, Osnabrück oder Bielefeld - allesamt ausgemusterte Investmentbanker der Dresdner Bank, die ihr Fachwissen nun in den Dienst des Terrors stellen. Aus dem "grünen Band der Sympathie" wurde das grüne Band der Sympathisanten des Terrors.

Holger Faßnacht, ein smarter Endzwanziger, in seinem früheren Leben in Rüsselsheim für Baufinanzierung zuständig, schwärmt vom Teamspirit in seiner Terrorzelle: "Die Jungs sind alle super drauf. Das liegt auch daran, dass unsere Aufgabe extrem spannend ist. Spannender jedenfalls, als in Deutschland stundenlang um ein Hypothekendarlehen zu feilschen. Hier dagegen drehen wir das ganz große Rad." Das da heißt Destabilisierung des westlichen Finanzsystems.

Die finanztechnische Spezialeinheit um Holger Faßnacht hat im Dienste der al-Qaida schon einige spektakuläre Erfolge vorzuweisen: So brachten die Gottesbanker mit ihren Währungsspekulationen das isländische Finanzsystem zum Einsturz. Griechenland entging nur knapp dem vom Hindukusch aus gesteuerten Angriff auf seine Staatsfinanzen. Und auch der amerikanische Dollar hat zu schwer kämpfen, um der gegen ihn laufenden Spekulation standzuhalten.

Doch all diese achtbaren Erfolge sind für Holger Faßnacht und sein Team noch lange kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. "Erst wenn die Wall Street wankt und mit ihr der gotteslästerliche Lebensstil des Westens endgültig den Bach runter geht, dürfen wir uns zurücklehnen und uns gegenseitig auf die Schulter klopfen."

Der verantwortungslose Einsatz der finanztechnischen Massenvernichtungswaffen durch Bin Ladens Vermögensverwalter konnte der Gegenseite natürlich nicht auf Dauer verborgen bleiben. US-Börsenaufsicht, CIA und Army arbeiten fieberhaft daran, die Kamikaze-Trader aus Kandahar endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Da der genaue Aufenthaltsort jedoch nicht bekannt ist und vermutlich ständig wechselt, setzt das Pentagon auf satellitengesteuerte Drohnenangriffe. Die unbemannten Flugzeuge sind im Konflikt mit den Terrorbankern zu einem der wichtigsten Kriegswerkzeuge der westlichen Streitkräfte geworden.

Die Späher am Himmel können Bilder über Satellitenkommunikation bis in die Kommandozentralen in den Vereinigten Staaten übertragen, wo auch die Piloten sitzen. Nach dem Abschuss ihrer Raketen kehren die Drohnen zum Stützpunkt zurück und können erneut verwendet werden. Soweit die Theorie. Im praktischen Kampfeinsatz haben die unbemannten High-Tech-Waffen aus den USA allerdings einen entscheidenden Nachteil - ihre Anfälligkeit für Störsignale und Hackerangriffe. So wurden jüngst zwei Drohnen von islamistischen Hackern "gekapert" und umgeleitet. Ihren Angriff flogen sie dann nicht auf das Terrorcamp an der pakistanischen Grenze, sondern auf das Feldlager der Bundeswehr in Kundus. Nach unterschiedlichen Angaben kamen dabei zwischen fünf und acht Bundeswehrsoldaten ums Leben.

Während dort die unglücklichen Umstände nach Kräften vertuscht werden, arbeiten die Teufelsbanker fieberhaft daran das Weltfinanzsystem weiter ins Chaos zu stürzen. Selbst ins Machtzentrum von Kabul sind sie schon mit "Taschen voller Geld" vorgedrungen. Die regelmäßigen Geldzahlungen aus dem Iran, die der afghanische Präsident Hamid Karsai jetzt eingestehen musste, stammen aus den Beständen der talibanischen Weißkragen. "Der Iran ist doch viel zu pleite", lacht Holger Faßnacht und freut sich über jedes kleine Queäntchen Korruption, das zu seiner großen Aufgabe beiträgt.

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