die wahrheit: Im Jahr des Tigers:Wir warten auf das Christkind
Die Westler hier in Peking sind vom Weihnachtsfest ganz besessen. Das zeigt sich jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt der deutschen Botschaft, der regelmäßig am ...
... ersten Advent stattfindet. Hier werden zwischen diversen Buden Adventskränze und Weihnachtsbaumschmuck verkauft, und der deutsche Chor singt dazu die üblichen ausgeleierten Weihnachtslieder. In den Buden selbst bereitet man Currywurst und Spanferkel zu, es gibt schwäbische Maultaschen, Nürnberger Glühwein, Christstollen und vom ollen Schindler - dem Wirt von "Schindlers Tankstelle" - Wurst, Schinken und Bommerlunder.
Gesponsert wird der ganze Trubel unter anderem von Siemens, Daimler, Haribo und Volkswagen, so dass an der Glühweinbude "Siemens Glühwein" steht und an der Currywurstbude "VW Currywurst". Das ist praktisch, denn so weiß auch der nichtdeutsche Weihnachtsmarktbesucher, wem Deutschland in Wirklichkeit gehört.
So wie beschrieben sah der hiesige Weihnachtsmarkt zumindest im letzten Jahr aus und im Jahr zuvor. Wie es in diesem Jahr zuging, weiß ich nicht genau. Als ich nämlich den Markt besuchen wollte, traf ich vor dem Botschaftstor auf eine lange Schlange. Über fünfhundert Menschen standen sich die Beine in den Bauch, weil sich zwischen den Buden auf dem Botschaftsgelände bereits rund 2.000 Leute quetschten.
Deshalb wurden nur noch so viele eingelassen, wie den Weihnachtsmarkt auch wieder verließen. Und so wartete man an der Spitze der Schlange schon eine Stunde, doppelt so lange wie im vergangenen Jahr. Angesichts der Wartezeit verzichtete ich. Ich war sowieso nur wegen der Currywurst und einem Bommerlunder gekommen. Auf die so genannte Weihnachtsstimmung, die viele in der Schlange als Wartegrund anführten, ist gepfiffen. Überhaupt: Ging es denn im Stall von Bethlehem so zu wie auf der Loveparade zu Duisburg?
Interessanterweise sind jetzt, ein paar Tage vor Heiligabend, die ganzen Weihnachtsmarktbesucher aus der Stadt verschwunden. Die meisten sind in Richtung Westen aufgebrochen. Ein kleinerer Teil liegt an den Stränden Vietnams und Thailands. Der größere Rest aber feiert Weihnachten in Berlin, Paris, London oder Garmisch-Partenkirchen.
Und warum? Weil man, so lautet die Auskunft schon wieder, das "Fest der Liebe" wegen der ominösen Weihnachtsstimmung einfach zu Hause feiern muss. Eine blödsinnige Begründung. Ich meine: Der Weihnachtsmann, das Christkind, Knecht Ruprecht und dergleichen, das ist doch alles absurd. Wegen solcher Fabelwesen setze ich mich jedenfalls nicht ins Flugzeug.
Und dann ist da noch ein Punkt: Jeder, der zu Weihnachten in China bleibt, hat nämlich gegenüber allen, die nach Westen reisen, einen großen Vorteil. Weil es hier nämlich im Winter immer sieben bis acht Stunden früher als in Europa ist, kommen auch Weihnachtsmann, Christkind und Knecht Ruprecht bei uns zuallererst vorbei. Und deshalb kriegen wir die größeren und tolleren Geschenke. Schön blöd, wer da nach Hause fliegt. Na gut, trotzdem: Frohes Fest!
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