die wahrheit: Architektur - warum und wie?
Da wird doch jetzt dieser bekannte Architekt, ich komme gerade nicht auf seinen Namen, hundert Jahre alt, so dass alle Welt von ihm spricht und ihn wie verrückt feiert ...
... Für den Laien ist das ein schöner Anlass, sich einmal mit dem Werdegang des Jubilars, aber auch mit der Architektur als solcher zu beschäftigen. Architektur - darüber weiß man nichts, das ist, und darin sind sich alle einig, ausschließlich etwas für Architekten.
"Für mich musste es schon immer die Architektur sein", soll der gefeierte Architekt gesagt haben, als er befragt wurde, wie er denn bloß darauf gekommen sei, ausgerechnet Architektur zu studieren, was normalerweise doch niemand täte. Und wie so ein Studium überhaupt ablaufe, wollte man von ihm wissen. So weit ich in Erfahrung bringen konnte, hat er darauf geantwortet, im Architekturstudium lerne man zuerst, wie blöd es zum Beispiel sei, ein Haus gegen einen Kugelschreiber zu tauschen. "So etwas macht man nicht", laute die offizielle Lehrmeinung. "Nun gut", sagen wir Laien, "das können wir verstehen, das klingt selbst für uns plausibel. Wie aber entsteht so ein, wie sagt man, ,Bauwerk'?"
Bauwerk - das klingt für ungeübte Ohren ähnlich wie "Bahnhof", und tatsächlich sind, wie wir uns sagen lassen müssen, Bahnhöfe auch Bauwerke. In letzter Zeit hat man doch so viel von Schwierigkeiten mit Bahnhofsneubauten gehört, bleiben wir also bei diesem Beispiel. Der Architekt, um den es hier geht, hat sich einmal genau zu diesem Thema geäußert, seine Ausführungen will ich daher an dieser Stelle zitieren: "Da beim Bau von Stadthäusern immer wieder kleine Teile übrig bleiben (vor allem, wenn die Architekten und Bauherren eigene Gedanken in die Bauten ,hineinarbeiten'), hat sich eines Tages genügend Material angesammelt, um etwa einen Bahnhof mit Schornstein zu errichten. Ebenso kann man das Bauwerk natürlich auch als Klinik, Botschaftsgebäude, ja sogar als Museum oder Konzerthaus verwenden. Der Schornstein muss allerdings an der Innenseite schwarz gefärbt werden."
Auf die Frage, ob er selbst denn schon einmal so einen Bahnhof "errichtet" habe, antwortete unser Architekt, jawohl, das sei tatsächlich vorgekommen. Man wollte dann von ihm wissen, wie das denn gewesen sei beziehungsweise, wie es dazu überhaupt habe kommen können. Dem Vernehmen nach muss seinerzeit der Magistrat der betreffenden Stadt nach einer bewegten Sitzung mit viel Gebrüll und Türenschlagen den Bahnhofsbau beschlossen haben. Der Architekt war daraufhin mit Planung und Ausführung des Projekts beauftragt worden. "Es sollte der Südbahnhof werden", verriet er, "allerdings ohne Schornstein. Den hatte man wegen der unerfreulichen Kassenlage eingespart. Das war aber kein ernstes Hindernis für mich. Bei den Ausschachtungsarbeiten fand sich im Erdreich das gesamte notwendige Baumaterial. Nach sorgfältiger Reinigung wurde alles nach meinem Plan zusammengefügt, und binnen einem Jahr entstand, was man heute den Südbahnhof nennt."
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