die wahrheit: Abenteuer Wildnis
Wir standen auf Mathildas Terrasse. "Hörst du das?!" Mathilda war begeistert. Ich spitzte die Ohren, horchte. In der Ferne schien ein Zug zu rauschen ...
... der Wind raschelte verhalten in den Blättern der Bäume und irgendwo quakten ein paar Frösche. Das alles aber war so leise, so nah am Rand der Lautlosigkeit … "Ehrlich gesagt", flüsterte ich, "höre ich nichts." - "Genau!", jauchzte Mathilda: "Nichts! Absolut nichts! Nur süße, herrliche Gartenstille! Kein Kläffen, kein Bellen, kein Charly - den ganzen Tag schon! Ich weiß nicht, was geschehen ist. Vielleicht gibt es doch einen gnädigen Gott, der den Schreckensköter auf einen Jupitermond verbannt hat, vielleicht ist er gestern Abend unversehens beim Kläffen erstickt, keine Ahnung. Jedenfalls herrscht Ruhe, das erste Mal seit Jahren - so ähnlich muss sich das Paradies anfühlen!"
In diesem Augenblick tauchte Herr Kropotsky am Gartenzaun auf und machte: "Ähm …" Ich kannte Herrn Kropotsky noch nicht. Mathilda stellte uns vor. "Das ist Herr Kropotsky, er hat vor ein paar Wochen das Nachbarhaus gekauft." - "Angenehm", sagte ich, lächelte. Er lächelte gleichfalls, murmelte fahrig: "Ja ja …" Dann sagte er wieder: "Ähm - was ich Sie fragen wollte …" - "Ja?" "Haben Sie - zufällig - etwas Seltsames gesehen?" - "Etwas Seltsames?" - "Ja. Wie soll ich sagen … etwas sehr Seltsames." -"Hm", machte ich, "können Sie es präziser beschreiben?" - "Tja", sinnierte er, "ich will mal sagen: Es ist ungefähr zwei Meter zwanzig lang."
-"Hm", machte ich wieder, "das einzig Seltsame ist wohl diese Stille." - "Genau", nickte Mathilda, "der Terrier von Frau Brunnenkamp aus Nummer achtzehn bellt nicht mehr. Ein Wunder!" -"Oh", sagte Kropotsky. Er schluckte und begann zu schwitzen. Hinten auf der Straße hörte man jetzt Frau Brunnenkamp. Sie rief nach ihrem Hund. "Yes!", frohlockte Mathilda: "Das Biest ist tatsächlich verschwunden! Weggelaufen, vom schwarzen Mann entführt, in einem Dimensionsloch verloren gegangen!" Kropotsky schwitzte noch mehr. "Ist Ihnen nicht gut?", fragte ich.
In diesem Moment stieß Mathilda einen Schrei aus. Sie stotterte, schlotterte, zeigte hinüber zum Kräuterbeet. Auch ich erstarrte: Durch Estragon und Pimpinelle schlängelte sich eine Boa, die im Mittelteil genauso ausgebeult war wie die Riesenschlange in "Der kleine Prinz", anders als diese aber wohl keinen kleinen Elefanten verspeist hatte. Kropotsky schlug die Hände über dem Kopf zusammen. "Igor! Wie konntest du nur?!", hauchte er fassungslos. "Er ist ausgerissen, als ich das Terrarium gereinigt habe", stammelte er.
Dann wandte er sich Richtung Straße. "Hallo, Frau …", rief er, doch bevor er "Brunnenkamp" sagen konnte, hatte Mathilda ihm den Mund zugehalten. "Machen Sie doch keinen Unsinn, Kropotsky", raunte sie ihm zu: "Nehmen Sie Igor, gehen Sie nach Hause und säubern Sie das Terrarium ruhig noch einmal, wenn Frau Brunnenkamp auf die Idee kommen sollte, sich einen neuen Charly zuzulegen." Und dabei nahm ihre Miene einen derart diabolischen Ausdruck an, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterlief.
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