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die wahrheitFahrtenschwimmer

Kolumne
von Michael Sailer

Schwabinger Krawall: Der Jackie hat ziemlich kariert geschaut, wie der Hubsi mit dem Schwimmen angefangen hat, schließlich war es halb vier Uhr früh ...

D er Jackie hat ziemlich kariert geschaut, wie der Hubsi mit dem Schwimmen angefangen hat, schließlich war es halb vier Uhr früh; deswegen hat er gesagt, dass es mit zehn Bier viel zu gefährlich sei, in die eiskalte Isar zu springen, weil man davon einen Gehirnschlag oder eine Lungenentzündung kriege oder in eine Turbine geschwemmt und zerhäckselt werde, und dass er sowieso keine Badehose dabei habe. Eine Badehose, hat der Hubsi gesagt, habe er noch nie besessen, weil dieses schwule Zeug nur was für verklemmte Tattergreise mit Vorhautverengung sei, außerdem wolle er ins Ungererbad und der Jackie werde offenbar langsam auch zum Tattergreis, da er sich nichts mehr traue.

Weil die zwei Studentinnen aus dem Rheinland von der Idee sofort begeistert waren, hat der Jackie gesagt, er sei seit der zweiten Klasse Fahrtenschwimmer, also praktisch ausgebildeter Bademeister, und habe sich aus reiner Verantwortungsbewusstheit gesorgt, es sei aber unerlässlich, dass ein Fachmann dabei sei. Und so sind sie zu viert losgetorkelt und haben an der Tankstelle ein paar Bier gekauft.

Es sei ein Kinderspiel, hat der Hubsi gesagt, durch das Kanalrohr ins Bad zu kriechen, aber der Jackie hat gesagt, dass er lieber über den Zaun klettert. Dabei ist er jedoch mit Biertüte und Ärmel am Stacheldraht hängengeblieben und nach einigem Gezappel mit verrenkter Schulter in einem Hagebuttenstrauch gelandet, wobei er sich Hemd und Hose zerfetzt und heftig blutende Risse zugezogen hat. Nachdem ihn der Hubsi aus dem Gebüsch gezerrt und gemeint hat, man müsse seine Wunden auswaschen, damit er nicht an einer Blutvergiftung stirbt, hat er gesagt, er könne ihm den Schuh aufblasen, sich in die Wiese gesetzt und ein Bier aufgemacht.

Der Hubsi ist derweil mit den Hasen zum Schwimmbecken, und von dort hat der Jackie ein lautes Klatschen gehört, gefolgt von noch lauterem Gebrüll, dann hat er den Lichtkegel einer Taschenlampe und den Umriss eines Nachtwächters in Uniform gesehen, der in sein Funkgerät gesagt hat, er habe hier einen betrunkenen Wahnsinnigen, der offenbar nicht wisse, dass die Freibadsaison erst übermorgen beginne, und nackt in ein leeres Schwimmbecken gesprungen sei, sich aber offenbar nicht verletzt habe, weil er in der Drecklacke von dem Gewitter am Samstag gelandet sei.

Da hat der Jackie so kichern müssen, dass er die Sanitäter erst bemerkt hat, wie sie ihn gepackt haben, und weil er sich vor lauter Kichern nicht wehren konnte, hat er sich halt ins Schwabinger Krankenhaus fahren lassen, wo ihn der Arzt gefragt hat, ob er beim Flaschensammeln in einen Glascontainer gefallen sei. Wie er dick verbunden wieder in der Sieben eingelaufen ist, hat er erfahren, dass der Hubsi vor zehn Minuten gegangen sei, mit einem ziemlich angeheiterten Typen in Uniform und zwei Hasen, und dass sich alle vier famos über einen angeblichen Bademeister amüsiert hätten. Und das war ihm ganz recht, weil das Jod so gebrannt hat und er kein blödes Gerede mehr hören wollte, schon gar nicht von jemandem, der nicht mal ein Fahrtenschwimmerabzeichen hat.

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