piwik no script img

die wahrheitBUDDHA UNTERM BLUMENTOPF

"Hast du schon mal von Indien geträumt?", fragte Raimund. "Nie", sagte ich. Wir standen an einem der Stehtische vor der Bäckerei Brüser und tranken Brüsers guten Kaffee ...

... "Ich auch nicht", sagte Raimund, "aber letzte Nacht - der Hammer! Zuerst bekam ich ein Paket aus einer Stadt namens Hubli-Hubli. Drinnen fand ich ein dampfendes Curry, das mit einem indischen Sprichwort aus Chilisoße verziert war.

Es lautete: ,Wenn der Weise seinen Tee ausgetrunken hat, wird der lila Lotus blühen.' Später war ich als Taxifahrer in Kalkutta unterwegs. Ich kannte mich nicht aus, besaß nicht mal einen Stadtplan, brachte meine Fahrgäste aber blitzschnell an ihr Ziel. Am Ende stieg der Staatspräsident ein und hängte mir eine Schwimmbrille um, was der höchste indische Orden war."

"Wahnsinn", sagte ich und gähnte. "Als ich erwachte", fuhr Raimund fort, "war ich ganz klar und wusste, was das alles zu bedeuten hat." - "Nämlich?" - "Dass ich ein Buddha bin!" - "Dass … - was?!" - "Jawohl, der Buddha der neuen Zeit: Buddha Zwanzigelf!" - "Oha", schnaufte ich, "und nun?"

"Tja", tjate Raimund, "soviel ich weiß, besteht der Job eines Buddhas darin, die Weisheit unter den Menschen zu verbreiten und das Leid vom Globus hinwegzufegen. Die Frage ist: Wie soll ich das anstellen? Meinst du, in den Träumen steckt ein Hinweis? Soll ich vielleicht einen Curryimbiss eröffnen?" - "Bloß nicht!", rief ich. Raimund war völlig talentfrei auf dem Feld der Speisenzubereitung: Unter seinen Händen wurden Töpfe zu Höllenmaschinen und Gewürze zu Massenvernichtungswaffen.

Aber auch als Taxibuddha würde er den Planeten kaum in einen Hort des Frohsinns verwandeln: Vor 25 Jahren, als wir noch studierten, hatte er sich schon einmal als Taxifahrer versucht, doch wegen seines rasanten Fahrstils flüchtete die Mehrheit der Passagiere an der erstbesten roten Ampel, von Panik erfasst, aus seinem Gefährt, so dass man ihm die Lizenz nach kaum einer Woche wieder entzogen hatte.

"Na dann", sagte er, "muss die Schwimmbrille das gesuchte Zeichen sein! Vielleicht sollte ich einmal schwimmend Spitzbergen umrunden!" - "Spitzbergen umrunden? Bist du wahnsinnig?" - "Die Welt wird den Atem anhalten!" - "Und du wirst ersaufen!" - "Nichts da - ein Buddha ist unsterblich!" - "Ist er nicht!" - "Ist er doch - und nun adieu, ich muss noch eine Schwimmbrille kaufen!"

Er stellte den Kaffeebecher ab und marschierte entschlossen los. Sekunden später krachte es neben ihm auf dem Gehweg: Es war ein Blumentopf, der von einem Balkon heruntergefallen sein musste und ihn nur um Haaresbreite verfehlt hatte.

"Ha!", triumphierte er: "Unsterblich und unverwundbar!" Doch weil ein Blumentopf selten allein kommt, gab es im selben Moment den nächsten Schlag, und als Raimund die Klinik wenige Tage darauf mit einem strahlend weißen Mullturban wieder verlassen durfte, sagte er, dass er unter diesen Bedingungen nicht im Traum daran denke, den blöden Buddhajob anzunehmen und sich in den eiskalten Polarmeerfluten womöglich den Tod an den Hals zu holen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!