die wahrheit: BERLINER KOMPLOTT
Die Erzgauner dürften erleichtert aufgeatmet haben: Standen sie auch mit einem Bein im Knast, so wenigstens nicht mit dem zweiten in der Klapsmühle.
D ie Erzgauner dürften erleichtert aufgeatmet haben: Standen sie auch mit einem Bein im Knast, so wenigstens nicht mit dem zweiten in der Klapsmühle. Auf heutige Zustände übertragen heißt das, wer sich schon mal kapitalismuskritisch geäußert hat und sich vom Verfassungsschutz verfolgt fühlt, ist nicht paranoid, sondern Realist. Das heißt, die Angst vor Verfolgung ist nicht immer ein Wahn.
Ein Stein fällt mir vom Herzen. Mögen finstere Mächte mich auch jagen, so ist mein Geist doch gesund, und die Mysterien meiner kürzlichen Berlinreise finden eine Erklärung: Jemand will verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt, jemand mit viel Einfluss.
Da ist der angeblich geplatzte Lkw-Reifen und der folgende Stau; ausgerechnet auf der Strecke Hamburg-Berlin; ausgerechnet wenige hundert Meter vor mir; ausgerechnet, als ich die letzte noch freie Ausfahrt schon hinter mir habe.
Da ist die weiträumige Sperrung sämtlicher Zufahrten zu meinem Hotel, und da ist das Navi, der mich immer wieder zu den gesperrten Straßen lotst und sich weigert, eine Alternative anzuzeigen.
Da ist die kuriose Demo, auf der angebliche Autonome, die zu 90 Prozent aber V-Männer des Verfassungsschutzes sind, versuchen, in Dick-und-Doof-Manier Polizisten von Leitern zu schütteln, weshalb der Zugang zu meinem Hotel abgeriegelt ist.
Da ist das Berliner Kino, dessen Name wir an dieser Stelle besser verschweigen, das jedoch mit "A" beginnt und mit "lhambra" endet, mit seiner Kartenverkäuferin, die, nachdem ich eine Viertelstunde in der Schlange stehe und nun endlich dran bin, mich nur kurz anschaut, um dann zu verkünden: "Ich mach jetzt Feierabend, bitte nicht mehr anstellen."
Da ist mein Einwand, dass ich doch längst schon anstehe und der Film inzwischen auch bereits angefangen habe, der mit einem schneidigen: "Tut ma leed, ick mach trotzdem Feierabend" weggewischt wird, worauf sie das Kino verlässt.
Da ist der Pizzastand, dem, als ich dran bin, die Funghi ausgehen, während es für die Dame nach mir aber plötzlich wieder welche gibt. Da ist die als Ersatz angebotene Vier-Käse-Pizza, die mir dermaßen den Verdauungstrakt traktiert, dass ich das Hotel nicht verlassen kann, das ich zuvor mit vier Stunden Verspätung mühsam erreicht habe.
Wer auch immer dieses Komplott eingefädelt hat, er hat sein Ziel erreicht: Die Wahrheit über die lange Nacht der Museen, die ich besuchen wollte, bleibt im Dunkeln. Immerhin kann ich trotz aller Widerstände aufklären, warum der Berliner nicht am Tag ins Museum geht, wie normale Menschen in normalen Städten: Weil er bis in die Puppen hinein poft, dann bis in die Nacht frühstückt und erst anschließend Zeit für Kultur hat.
Und wem begegnet man dann am nächsten Morgen mitten auf der Straße? Der Kinokartenverkäuferin. Begleitet wird sie von einem Typen mit Schlapphut.
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