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Archiv-Artikel

die taz vor zwanzig jahren über die brüder des von der raf ermordeten Gerold von Braunmühl

In einem mutigen offenen Brief an die Mörder ihres Bruders Gerold von Braunmühl, den die taz im November letzten Jahres auf Seite eins veröffentlichte, hatten die Brüder Braunmühl den Versuch unternommen, sich mit den Mördern und ihrem Bekennerschreiben auseinanderzusetzen und nicht Haß propagiert, sondern die RAF zur Umkehr aufgefordert. Es kostet die SPD wirklich nicht viel, den mit 20.000 DM dotierten Gustav-Heinemann-Bürgerpreis nun an Brüder des von der RAF Ermordeten zu vergeben. Die Entscheidung des Kuratoriums, der formal der SPD-Parteivorstand zustimmen musste, ersetzt die politische Auseinandersetzung der SPD mit ihrer vergangenen Rolle als Regierungspartei in der „Bleiernen Zeit“ nicht.

Ganz so, als hätte die SPD immer schon die politische und nicht die ausschließlich polizeistaatliche Auseinandersetzung mit dem Terrorismus geführt. Die Braunmühl-Brüder stehen im Gegensatz dazu viel eher in der Tradition eines Heinrich Böll, der Weihnachten 1971 freies Geleit und einen fairen Prozeß für Ulrike Meinhof forderte und die Dämonisierung der RAF anprangerte. 14 Tage nach der Veröffentlichung des Aufrufs kam von der SPD der Radikalenerlaß, gingen Ausgrenzung der Linken und der Krieg zwischen Staat und RAF erst richtig los.

Es gab keine andere Partei in der Bundesrepublik, die in übertriebener Weise die Staatsräson über alles stellte, die bewußt jeden politischen Lösungsversuch des Terrorismus ablehnte und stattdessen den Polizeistaat ausbaute. Nur wenn die Sozialdemokraten heute die Vergabe des Heinemann-Bürgerpreises an die Braunmühl-Brüder mit der Aufarbeitung ihres eigenen Umgangs mit dem Terrorismus verbinden, ist dies ein konstruktives Signal. Mit anderen Worten, diejenigen, die den Preis verleihen, müssen sich der Preisträger erst noch würdig erweisen und nicht einfach im nachhinein Beifall klatschen von den „billigen“ Rängen der Opposition.Max Thomas Mehr, 24. 3. 1987