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Archiv-Artikel

die taz vor neun jahren über den öden wahlkampf:

Es gäbe viele Themen, die darauf warten, besetzt zu werden. Warum geht zum Beispiel keine Partei ernsthaft das Thema der Verschwendung öffentlicher Gelder an? Müssen die Parlamente wirklich so groß sein? Müssen Blätter im Herbst mit ohrenbetäubendem Lärm von öffentlichen Grünflächen gesaugt werden? Müssen alle Straßen bei Schnee geräumt werden? Müssen alle Autobahnen für die Belastung von abermillionen Lkw-Fahrten ausgerichtet sein, damit auch weiterhin Krabben aus der Nordsee in Marokko gepult werden können?

Das eingesparte Geld könnte besser für Investitionen oder soziale Leistungen ausgegeben werden. Und was ist mit dem Thema Tierschutz, das uns schon allein wegen der Qualität unserer Nahrung betrifft? Warum nicht konsequent Tierversuche, tierquälerische Hühnerfarmen, Transporte von lebendem Schlachtvieh anprangern? In einem Land, das derart tierliebend ist, müßte es doch möglich sein, mit diesen Themen Sympathie bei den Wählerinnen und Wählern zu erringen.

Alles naiv – oder was? Zugegeben: Solche Themen lassen sich im Wahlkampf kaum griffig rüberbringen. Außerdem ist Arbeitslosigkeit das Problem Nummer eins. Das heißt aber noch lange nicht, daß alle anderen Themen ohne Belang wären.

Es mag sein, daß Volksparteien wie CDU und SPD auf schlichte Parolen setzen müssen, wenn sie die Mehrheit der Wähler erreichen wollen. Die Grünen müssen das aber nicht und brauchen daher gar nicht erst zu versuchen, es allen recht zu machen. Gerade von ihnen, mit ihrer eher gebildeten Klientel, wird man daher erwarten dürfen, daß sie der Weiter-so-Politik von CDU und SPD einen glaubwürdigen Politikentwurf entgegensetzen. Einen Entwurf, der sich vom kleinkrämerischen, um die Stimmen der Massen buhlenden Mainstream abhebt und Hoffnung macht, daß sich in diesem Land tatsächlich etwas ändern könnte.

Markus Franz, 11. 8. 1998