die taz vor fünfzehn jahren über die usa, europa und asien: :
Während Europa und die USA den kalten Krieg fast vergessen haben und sich mit militärischem Eifer auf die Bewältigung der neuen Probleme im Nahen Osten stürzen, stehen die politischen Uhren in Ostasien weiterhin still. Eine neue Ungleichzeitigkeit entsteht. Wie hoffnungslos erscheinen etwa die zaghaften Annäherungsversuche auf der koreanischen Halbinsel, nachdem die deutsche Einheit über Nacht durch die Mauer brach. Wie kleingeistig muten die japanischen Ansprüche auf vier bedeutungslose, von der Sowjetunion annektierte Inseln zu einer Zeit an, wo sich Washington und Moskau anschicken, ein neues weltweites Verteidigungsbündnis zu etablieren. Wie hilflos wirkt schließlich auch die chinesische Diplomatie, einzig darauf bedacht, im Zuge der Kuwait-Krise erneut Anschluß an das Weltgeschehen zu finden. Eine Zeit, in der Europäer leicht auf die Asien-Prophezeiungen des Vordenkers Hegel zurückfallen, der einst dem europäisch-asiatischen Gegensatz die Antithese von Freiheit versus Despotie, von Geschichtlichkeit versus „Entwicklungslosigkeit“ überstülpte und schlichtweg von der „geschichtlichen Unwandelbarkeit“ Chinas sprach.
Wie desinteressiert zeigte sich der Westen immer schon an der Lösung der Koreafrage, so daß er bis vor wenigen Jahren sogar den Militär-Diktatoren in Seoul seine Unterstützung bot. Wahrlich spät reist Eduard Schewardnadse in diesen Tagen durch die asiatischen Nachbarstaaten der Sowjetunion, um nun wenigstens die Idee von einer „sowjetischen Brücke zwischen Asien und Europa“ zu formulieren. Aber ist die Idee schon Politik? Immer noch herrscht im Westen der Gedanke vor, daß Geschichte dort und nicht im Osten geschrieben wird.
Richtig ist, daß Politik in Ostasien oft nicht so spektakulär und in der Regel immer noch kein Mediengeschäft ist. Entscheidend aber ist, daß die wirtschaftliche Entwicklung im ostasiatischen Raum unvergleichlich schneller voranschreitet als im Westen. Georg Blume, 7. 9. 1990