die taz vor fünfzehn jahren über den „dieb aus bagdad“: :
„Man kann ein begangenes Unrecht nicht durch die Begehung eines neuen Unrechts rechtfertigen.“ So reagierte UN-Generalsekretär de Cuellar auf die Frage, warum es die UNO versäumt hat, auf die israelische Expansion ebenso konsequent zu reagieren wie auf den irakischen Einmarsch in Kuwait.
Gestern nun hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution beschlossen, die den Irak ultimativ zum Rückzug auffordert und bei Nichteinhaltung der Frist bis zum 15. Januar mit dem „Einsatz aller notwendigen Mittel“ droht. Bislang sprechen alle Anzeichen dafür, daß ein vernichtender Krieg bevorstehen könnte.
Das von Saddam Hussein formulierte „Junktim“ zur Lösung des israelisch-palästinensischen und des irakisch-kuwaitischen Konflikts entsprang einem taktischen Kalkül: die „arabischen Massen“ zugunsten der irakischen Interessen zu mobilisieren. Daß Saddam Husseins propagandistischer Schachzug aber verfing, um die Besetzung eines anderen arabischen Staates populär zu machen, ist erstaunlich. Denn mit dem Junktim stellte er Iraks Einmarsch in Kuwait mit der israelischen Besetzung von Westbank und Gaza-Streifen moralisch auf eine Stufe: Wie ein Dieb, der vor Gericht mit der Begründung einen Freispruch verlangt, andere vor ihm hätten schließlich auch gestohlen und seien nicht bestraft worden.
Jedem ist klar, daß die USA ihre gesamte Macht einsetzten, um die für „ihre“ Resolution erforderliche Mehrheit zu erkaufen. Die USA pokern mindestens genauso hoch wie der Irak. Eine Fortdauer des Embargos hätte ausgereicht, um den Irak in eine aussichtslose Position zu manövrieren und Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Daß die USA sich für eine „militärische Option“ eingesetzt haben, deutet darauf hin, daß es ihnen weniger um die Wiederherstellung der Souveränität Kuwaits als vielmehr um eine Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens durch Vernichtung der regionalen „Supermacht“ Irak geht.
NINA CORSTEN, 1. 12. 1990