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Archiv-Artikel

die taz vor elf jahren zum verheerenden Bombenanschlag von Oklohoma City

Man kennt die Täter nicht, man kennt nicht einmal alle Opfer, man kennt kein Motiv und kein mögliches Ziel, und gerade deshalb hat die Autobombe von Oklahoma City so verheerenden Schaden angerichtet. Vor zwei Jahren explodierte im New Yorker World Trade Center schon eine ebenso große Bombe, allerdings mit geringeren Folgen; mehrmals haben Verrückte Attentatsversuche auf das Weiße Haus unternommen. Dennoch ist dieser Anschlag für die USA beängstigend. Die Bombe von Oklahoma explodierte im Herzen der Vereinigten Staaten, in einem für jegliche Symbolik ungeeigneten Regierungsgebäude mitten in einem friedlichen Provinznest der amerikanischen Prärie und traf damit das Herz des amerikanischen Selbstverständnisses. „Beirut“ ist das Stichwort, das in den Beschreibungen der Anschlagsszene am häufigsten fällt, so als wäre „Beirut“ ein fremdes Wesen, das sich heimlich in die USA geschlichen habe. Plötzlich ist das Frontier-Gefühl wieder da – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, denn nun fühlt sich das Land kollektiv in der Defensive. Wäre es ein einzelner Amokläufer gewesen – man wüßte wenigstens, woran man wäre.

Schon werden Forderungen laut, den Zugang zu öffentlichen Gebäuden einzuschränken, um die Sicherheit der Angestellten zu gewährleisten: Die seien inzwischen vielerorts besser vor Rauchern geschützt als vor Terroristen. Autobomben wie die von Oklahoma können dadurch aber nicht verhindert werden. Sie zeigen vielmehr, daß das Rollback des Staates – indem sich dieser auf den Selbstschutz beschränkt und die waffentragenden Bürger auf sich aufpassen – nicht ausreicht. Dem unsichtbaren kollektiven Feind namens „Beirut“ ist durch den Verweis auf die individuelle Tüchtigkeit nicht beizukommen. So könnte die Bombe von Oklahoma immerhin einige Gefahren aufzeigen, die in der derzeitigen Debatte um die Rolle des Staates noch kaum angesprochen worden sind. Dominic Johnson, 21. 4. 1995