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Archiv-Artikel

die taz vor elf jahren über eine un-generalsekretärin

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Getreu diesem Motto handelt UNO-Generalsekretär Butros Ghali jetzt auch offiziell. Nachdem er bereits seit Monaten seine Wiederwahl inoffiziell mit vielen peinlichen Anbiedereien und Opportunismen betreibt, hat der 73jährige Ägypter mit der Verkündung einer erneuten Kandidatur jetzt auch öffentlich sein bei seiner ersten Bewerbung im Jahre 1991 gegebenes Versprechen gebrochen, er stehe nur für eine Amtszeit zur Verfügung.

Doch die Chancen für die Wiederwahl des Mannes, der vor fünf Jahren als Kompromißkandidat erst zum Zuge kam, nachdem die ursprünglich von den afrikanischen Staaten nominierten Bewerber gescheitert waren, stehen äußerst schlecht. Denn nach langem Hin und Her in Washington hat sich die Clinton- Administration gegen eine zweite Amtsperiode von Butros Ghali entschieden. Neben Unzufriedenheit mit Ausmaß und Tempo der UNO-Reform spielen dabei auch wahltaktische Überlegungen eine Rolle. Butros Ghali ist im US-Kongreß und in der US-Öffentlichkeit wenig beliebt.

Mit Australiens Außenminister Gareth Evans und insbesonders mit dem Chefankläger des Internationalen Kriegsverbrechertribunals, Richard Goldstone, werden hinter den Kulissen bereits zwei gute Nachfolgekandidaten gehandelt. Doch der UNO-Generalsekretär repräsentiert eine Organisation, deren (inzwischen 189) Mitgliedsstaaten seit ihrer Gründung vor 51 Jahren immer mehrheitlich von Frauen bewohnt waren. Nach sechs Männern an der Spitze der Organisation ist die Berufung einer Frau überfällig. Es gibt eine ganze Reihe hervorragender Frauen für diesen Posten – an der Spitze Sadako Ogata, die derzeitige UNO-Flüchtlingshochkommissarin. Ogata hat in ihrem Amt mehr Sachverstand, Courage und Unabhängigkeit (auch gerade gegenüber Butros Ghali) bewiesen als alle anderen Spitzenfunktionäre der 30 Sonder- und Spezialorganisationen der UNO.

Andreas Zumach, 21. 6. 1996