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Archiv-Artikel

die taz vor elf jahren über die verpassten chancen der integrationspolitik nach mölln, solingen, lübeck

Nach Jahren der Schamfrist, der Lichterketten und internationalen Schelte kann man es sich wieder leisten, Ausländer zum nationalen Problem zu erklären. Das Strickmuster dafür ist aus der Asyldebatte bekannt: Man schafft Gesetze gegen das „Ausländer-Problem“ und macht es damit erst zu einem.

Kriminelle Ausländerbanden dealen, rauben, zündeln, morden. Die Regierung schuf ein Gesetz, das vor allem die große Zahl der ausländischen Inländer trifft: Straffällig gewordene Jugendliche, auch wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind, sollen nach Verbüßung ihrer Haft bedingungslos ausgewiesen werden. Statt Integration in die heimische Gesellschaft droht die Verbannung in eine fremde Gesellschaft.

Integrationshilfen, Einbürgerungserleichterungen – das waren die Schlüsselworte, die nach Rostock und Hoyerswerda, nach Mölln und Solingen Abhilfe versprachen – wenn schon nicht gegen den rechten Spuk, dann jedenfalls gegen das schlechte Gewissen. In Zentimeterschritten deutete sich selbst bei der CDU Bewegung an. Wenigstens die Kinder der Einwanderer, die Angehörigen der dritten Migrantengeneration, sollten leichter Deutsche werden können.

1997, wenige Tage vor dem Jahrestag der Brandkatastrophe von Lübeck, billigt das Kabinett eine Durchführungsverordnung des Bundesinnenministers, die Meilen hinter diese Idee zurückfällt.

Vera Gaserow in der taz vom 18. 1. 1997