die taz vor 3 Jahren darüber, dass günther beckstein doch schlimmer ist als otto schily :
Der Beckstein macht doch auch nichts anderes als Otto Schily. So lautet die gängige Einschätzung über den potenziellen Bundesinnenminister. Sogar in eher sachlich gehaltenen Darstellungen wird Beckstein als „Schilys schwarzer Zwilling“ verharmlost. Ist es also völlig egal, ob der rechte Sozialdemokrat Schily sein Amt nach dem 22. September an seinen bayerischen Kumpel abgeben muss? Dieser Eindruck drängt sich auf, aber er ist falsch – auch wenn Beckstein gestern noch einmal fast alles tat, um ihn zu bestärken.
Doch: Nicht die inhaltlichen Differenzen in der Zielsetzung von Schily oder Beckstein sind es, auf die man achten sollte. Da wird man in der Tat nur wenige finden. Viel entscheidender ist das Gewicht, das rechten Innenministern in den jeweiligen Regierungen zukommt. Schily diente vier Jahre lang als Ausputzer für eine Reformregierung. Mit seinen starken Sprüchen und Sicherheitspaketen sorgte er dafür, dass die traditionelle Klientel der SPD nicht allzu sehr verschreckt wurde. Gerade weil er rhetorisch die rechte Wählerschaft bediente, fielen die Zugeständnisse nicht so sehr auf, die Bundeskanzler Schröder an die Grünen machte – bei der Homoehe, in der Agrarpolitik, beim Atomausstieg, aber auch beim Zuwanderungsgesetz.
Ein Minister Beckstein dagegen wäre ein Angreifer. Beckstein könnte das tun, wovon Schily nur geredet hat. Er würde das durchsetzen, was die Grünen gerade noch verhindert haben: schnellere Ausweisung von Ausländern, den Einsatz der Bundeswehr im Inland und eine weitere Einschränkung der Bürgerrechte. Beckstein müsste viel deutlicher als Schily wirklich handeln. Er stünde viel stärker unter Druck, Taten vorzuweisen. Auf anderen Gebieten tut Stoiber nicht einmal so, als wollte er etwas bewegen. Das zeigt sich auch darin, welche Politikfelder im Kompetenzteam gar nicht vertreten sind: Verbraucherschutz, Umwelt, Justiz und Kultur.
taz, 10. 8. 02, Lukas Wallraff