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Archiv-Artikel

die taz vor 19 jahren über alltägliche formen von frauenverachtung

Die Diskussion innerhalb der taz darf jetzt nicht bloß auf offensichtliche und provokative Frauenverachtung reduziert werden.

Es ist frauenverachtend, wenn eine Demonstration zum Internationalen Frauentag in der taz als „Ausdruck des ewigen Strebens der Frauen nach Freiheit und Glück“ bezeichnet wird, wenn die vorher diskutierte Vermummung bei dieser Demo – besonders zum Schutz der ausländischen Frauen vor Repression – zum „Winterdress“ verniedlicht und ihrer politischen Inhalte beraubt wird.

Es ist genauso frauenverachtend, wenn – gerade im Zusammenhang mit dem Frauentag – ein Interview mit der „Frau des Tages“ erscheint: Sie hat sich noch nicht entschieden, ob sie lieber Männer („die gefährdeter sind als Frauen“) schützen oder doch Fotomodell werden will. Beide Beiträge erschienen am gleichen Tag wie die Pornoseite, auf der ersten Seite des Berlin-Teils. In der Diskussion von uns taz-Frauen ist diese Seite nicht angesprochen worden und damit quasi gerechtfertigt.

Die Reduzierung der Kritik an frauenverachtenden Artikeln auf die „Porno-Debatte“ (was wir ausdrücklich nicht wollen), hat bis heute folgende Konsequenzen: Zum einen werden zwei Männer von der berechtigten Wut der Frauen getroffen; Männer und Frauen aber, die den alltäglichen Sexismus mittragen und für ihn mitverantwortlich sind, bleiben bedeckt hinter dieser künstlichen Aufteilung. Zum anderen erfahren wir Frauen plötzlich Solidarität mit unseren Aktionen; und zwar von Menschen, die in einem konkreten Punkt – eher zufällig und völlig anders bestimmt – dasselbe Ziel haben. Es geht nicht darum, zwei „Köpfe rollen zu sehen“. Es geht um die Auseinandersetzung über offene und verdeckte Frauenverachtung und Frauenfeindlichkeit. Und: Es geht um eine klare Bestimmung unserer Position dagegen.

Susanne Hüsing (Abo-Abteilung) in der taz vom 12. 3. 1988