die stimme der kritik: Betr.: Das Dasein
ZLATKO UND DIE GARTENZWERG-BEFREIUNGSFRONT
Das Dasein sei im Wesentlichen als Abschiedliches zu verstehen, lehrt der Geschichtsphilosoph Michael Theunissen. Bleiben ist nirgends, wusste schon Rainer Maria Rilke. Abschied nehmen heißt es also; von zwanzig Zwergen, die dieser Tage aus der großen Pariser Gartenzwerg-Ausstellung verschwunden sind. Wie der Bagatelle-Park mitteilte, bekannte sich eine „Pariser Sektion der Gartenzwerg-Befreiungsfront“ zu dem Diebstahl.
In einer Erklärung forderten die Täter das „Ende der Lächerlichmachung“ der Zwerge, die Schließung der Ausstellung und die freie Rückkehr der Zwerge in die Wälder. Die Gartenzwerg-Befreiungsfront ist seit ungefähr zehn Jahren in Frankreich aktiv. Experten vermuten, dass schon die dritte Generation der Gartenzwergbefreier tätig ist.
„Dritte Generation“ heißt übrigens auch diese grauenhafte Gruppe, die in meinem Fernseher immer „Leb, wie du dich fühlst“ singt. Doch nicht von der „umstrittenen“ Dokusoap soll hier die Rede sein, sondern von Gärtner Pötschke, dessen Abreißkalender einem jeden Tag einen schönen Reim schenkt. Zum Beispiel:
„Als kleiner Zwerg in deinem Garten, / möcht in den Lenz ich mit dir starten“ oder „Farbige Schlinger / sind Freudenbringer. / Sie zieren und klettern / mit Blüten und Blättern.“
Am Sonntag ging auch Zlatko bekanntermaßen. Wenn man unter „Zlatko“ sucht, findet man 96 Artikel im Internet. Komischerweise – wie so oft im Internet – auch solche, in denen von Zlatko Trpkovski gar nicht die Rede ist, sondern von thematisch Verwandtem. Vom neuen Potenzmittel „Uprima“ etwa, das dieser Tage auf die Zustimmung der US-Arzneimittelbehörde stieß, oder von den Wahlen in Bosnien. Berichtet wurde unter dem Suchbegriff Zlatko auch von einem französischen Fußballhooligan, der gerade von einem Gericht in Saint-Etienne zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde, und von einem 30 Jahre alten Niederländer, der seinen großen Bruder mit einem Samuraischwert „kaltblütig enthauptete“. Dies scheint alles sehr symbolisch.
„Könnten Zimmerpflanzen sprechen, / manchem würd' das Herze brechen. / Was den armen angetan, / man oft nicht beschreiben kann“, steht in meinem Lieblingskalender.
DETLEF KUHLBRODT
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