piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: Neue Zeiten

Teilmobil bei Arbeit, Sport und Spiel

„Reframing“ heißt eine Technik der US-amerikanischen Kurzzeittherapie, und die geht so: „Jeden Morgen, wenn ich in die Klasse muss, kommt mir das Kotzen“, klagt die Patientin. Der Therapeut: „Toll, wie sehr Sie sich in Ihrem Lehrerjob engagieren!“ So kann man es auch sehen. Auf die neue Perspektive kommt es an. Im Leben. In der Politik. In der Familie.

Mehr Teilzeitmänner!, forderte Sozialminister Norbert Blüm vor sechs Jahren noch in einem Zustand begrifflicher Umnachtung. Doch die Teilzeitmänner blieben rar, logisch. Denn erstens teilt der Mann nicht, die andern tun es ja auch nicht, und zweitens ist er 24 Stunden am Tag ein Mann, also Vollzeitmann. Kein Wunder, dass die wenigen Teilzeitmänner von der Lifestyle-Presse gejagt wurden wie besonders exotische Exemplare einer Gattung.

Weg mit der „Teilzeit“, rieten daraufhin die Werbestrategen, und Blüm ersetzte „Teilzeit“ flugs durch „Mobilzeit“. „Mobilzeit steht für eine Arbeitszeit nach Maß mit Flexiblität und Mobilität“, dichtete der Minister und forderte: „Denken wir verstärkt über die Chancen und Möglichkeiten durch Mobilzeit nach!“ „Mobil“, das klang nach „Auto“, nach „Sport“, und vielleicht, dachten sich heimlich die Werber, kommt das Ganze so irgendwie männlicher rüber. Doch die erwünschte Assoziationskette blieb aus. Bis heute liegt die Mobilzeitquote der Männer niedrig.

Ähnlich wenig konnten die Männer mit dem Wort „Erziehungsurlaub“ anfangen. „Urlaub“: Darunter versteht Mann eben ein paar teuer bezahlte Wochen, für die das ganze Jahr über hart geackert und verdient wird. Die Frauen wiederum stellen sich unter „Urlaub“ auch etwas anderes vor als einen unbezahlten Vollzeitjob mit Windelwechseln, Spielplatzödnis und durchwachten Nächten.

Ein neuer Begriff musste her, neutraler, die Politwerber brainstormten: Elternpause, Familienarbeitszeit, Kinderpause, Familienzeit, Elternarbeit . . . Elternzeit! Das war’s: Die „Elternzeit“ wandert künftig in die Gesetzesblätter. Weg mit dem Erziehungsurlaub, her mit der Elternzeit.

Mit der Elternzeit wird alles gut. Denn beide Eltern dürfen jetzt gleich-zeitig „Elternzeit“ nehmen. Und während der Elternzeit auch noch „Mobil-“, äh, „Teilzeit“ arbeiten. Brechen neue Zeiten an? Es wird sich zeigen. Mit der Zeit.

BARBARA DRIBBUSCH

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen