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die stimme der kritikBetr.: Humoris causa

Spaßbad Aachen huldigt der Westerwellness

AACHEN humoreuters ■ Mit gelegentlich spontanem Applaus ist am Samstag um 23 Uhr 08 der Bonner Anwalt Dr. iur. Guido Westerwelle (39) zum 51. Ordensritter wider den tierischen Ernst gekürt worden. Westerwelle, derzeit als FDP-Politiker aktiv, hatte sich in den vergangenen Jahren durch regelmäßige Besuche der rituellen Karnevalsveranstaltung qualifiziert.

Das Motto des „närrischen Staatsaktes“ lautete wortwitzig „Westerwellness“, weil im westlichsten Spaßbad Deutschlands gerade die teuerste Therme Europas eröffnet wurde. Der Sessionsorden sieht Westerwelle als Beachboy auf einer überdimensionierten Spaßwelle durch die Stadt reiten. Der Preisträger selbst kam als neckischer Muskelboy mit Kappe. Im Mittelpunkt jedoch standen andere – so der jubelumtoste und mit fußballstadionartigen Chorälen gefeierte Redner Norbert Blüm als Thermenhausmeister in Birkenstocksandalen und Malocherkittel, der traurig seine fatal falsche Berufswahl (Politiker statt Kabarettist/Naturclown) belegte – eine nachträgliche Ohrfeige für die Politik des Exarbeitsministers, der offenbar nie den Möglichkeiten einer Umschulung getraut hat.

Für noch mehr Aufregung sorgte der ernstlich teilverkleidete bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. In einem „Humor-Gutachten“ hatte er als „Humor-Mediziner“ die „Heilmethode Humor“ vorgestellt und über „akuten Humorverlust“ doziert. Mehrfach musste die Saalkapelle mit Höflichkeitstuschs das Publikum zu herzlichem Mitleidsapplaus provozieren. Fast wäre sogar Stoibers überraschende Kanzlerkandidatur verschlafen worden: „Wenn ich gerufen werde, komme ich zur Not sogar bis Berlin.“ Nachher behauptete Stoiber, seine Aachener Brandrede sei „nur Humor“ gewesen. Er gehe höchstens „als Arzt nach Berlin“. Beobachter gaben ihm Chancen auf eine Umschulung.

Schon im nächsten Jahr steht die 52. Ziehung eines neuen Humorritters an. Dann muss Guido Westerwellness, ob seiner verzweifelt vertuschten privaten Präferenzen („als Entourage sind seine Mutter und ein Schulfreund angereist“) in Aachen auch Schwesterwelle genannt, humorvoll eine humorvolle Laudatio auf seinen humorvollen Nachfolger halten. Zuverlässigen Quellen der Quellenstadt zufolge ist ein ernsthafter Kandidat Außenminister Joschka Fischer. BERND MÜLLENDER

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