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Archiv-Artikel

die sorgen der union-fans Aufstand der Anhänger

Der FC Union Berlin steht am Abgrund. In der Regionalliga verliert die Mannschaft ein Spiel nach dem anderen und steht seit Wochen auf einem Abstiegsplatz. Die Fans sind ratlos. Nach der Niederlage am vergangenen Wochenende beim Tabellenletzten, den Amateuren des VfL Wolfsburg, schlug der Mannschaft die pure Wut der mitgereisten Anhänger entgegen. „Wenn ihr absteigt, dann schlagen wir euch tot“, skandierten etliche Fans.

Mannschaft und Vereinsverantwortliche waren entsetzt. So etwas kannten sie nicht. Der Union-Anhang war bis dato berühmt für seine hohe Leidensfähigkeit. Pfiffe für die eigene Mannschaft waren verpönt. In ganz Deutschland werden Geschichten erzählt über Unionfans, die nach herben Schlappen ihre Mannschaft immer noch gefeiert haben. Doch seit einigen Wochen ist Schluss mit lustig. Der Absturz in die Oberliga droht. Statt gegen St. Pauli müsste Union gegen Anker Wismar oder Optik Rathenow spielen.

Auf einer Fanversammlung am Mittwochabend in der Stadiongaststätte sollte sich nun die Mannschaft erklären. Die Spieler setzten sich freiwillig vor die wutschnaubenden Fans. Junge Männer, die meisten nicht älter als 22, kauerten wie reumütige Sünder auf ihren Stühlen. Das Tribunal konnte beginnen. Zunächst war die Stimmung äußerst aggressiv. Die Fans erinnerten an den vergangenen Sommer. Die Aktion „Bluten für Union“, für die viele Anhänger viel Geld locker gemacht hatten, sicherte dem Club das Überleben. Jetzt erwarten die Fans von den Spielern eine Gegenleistung. Die laschen Auftritte des Teams können sie nicht nachvollziehen. Kampfgeist wurde eingefordert, ehrliche Arbeitermentalität verlangt. Hauptforderung der Anhänger: Die Spieler sollten sich endlich einmal „den Arsch aufreißen“.

Dazu fiel den Angesprochenen wenig ein: „Natürlich machen wir das“, meinte Abwehrspieler Matthias Straub und erntete ungläubiges Kopfschütteln. Etliche Fans brüsteten sich mit ihrer eigenen Arbeitermentalität: „Wenn ich mir den Arsch nicht aufreiße, dann fliege ich zwei Wochen später raus.“ Ein anderer setzte nach: „Aber hier passiert doch nichts: Was mache ich denn, wenn mein Kind nicht pariert? Arsch voll!“ Das A-Wort dominierte die Veranstaltung in der mit 250 Menschen hoffnungslos überfüllten Unionkneipe.

Doch plötzlich drehte sich die Stimmung. Ein verzweifelter Fan rief: „Wenn ich nach Wolfsburg fahre und sehe, wie sich die Mannschaft abschlachten lässt, dann weiß ich nicht mehr, warum ich das eigentlich noch mache.“ Sein Nachbar erklärte es ihm: „Na, weil du Unioner bist!“ Die Umstehenden johlten zustimmend. Und mit einem Mal geschah, was zu Beginn der Veranstaltung keiner für möglich gehalten hätte. Die Fans probten den Schulterschluss mit der Mannschaft.

„Steht auf, wenn ihr Unioner seid!“, schallte es durch den Saal. Schüchtern erhoben sich die Spieler, einige trauten sich sogar zu lächeln. Sie konnten es kaum glauben. Die Versager wurden plötzlich gefeiert. Das Fantribunal gewährte dem Team noch einmal Bewährung. Nächste Möglichkeit dazu: am Sonnabend (14 Uhr, Alte Försterei) gegen Uerdingen.

ANDREAS RÜTTENAUER