die schulden, das taschenmesser und so ein gefühl : Paketzusteller tappt in eine Falle
Geklaute Geldscheine mit Pulver präpariert
Der Versandhandel wurde Lars S. zum Verhängnis. Die Kataloge kamen ins Haus, jede Saison neue,dicke Exemplare im Briefkasten. Auf den Fotos in den Katalogen waren ausgeglichene Menschen mit attraktiven Produkten zu sehen. Lars S. bestellte viele davon: für seine Frau, für die Kinder und für sich selbst. Die Waren wurden geliefert und mit ihnen die Rechnungen. Lars S. konnte sie nicht mehr bezahlen. So fing es an.
Damals hatte der 33-jährige Lars S. noch einen guten Beruf. Er war Paketzusteller beim Postamt Wilmersdorf. Ein ruhiger, sicherer Arbeitsplatz. Sieben Jahre lang stieg Lars S. morgens in einen gelben Postwagen und fuhr Pakete aus. Sieben Jahre ohne nennenswerte Auffälligkeiten.
Doch irgendwann bahnte sich zu Hause die Katastrophe an. Die Versandhäuser schickten Mahnungen, sie forderten ihr Geld. Der Paketzusteller überzog sein Konto. Seine Frau machte ein sorgenvolles Gesicht. Schließlich nutzte Lars S. seinen Beruf für eine neue Methode der Geldbeschaffung. Er schlitzte mit seinem Taschenmesser die Pakete in seinem Postauto auf. Er saß allein in dem Wagen, hinterher verschloss er die Pakete wieder mit braunen Klebestreifen. Keiner würde das merken, dachte S. Zweimal hat er das getan. Insgesamt hat er 125 Euro erbeutet.
Aber Lars. S. hatte Pech. Er wusste nicht, dass die Kollegen im Postamt schon beim ersten Mal aufmerksam geworden waren, eine Frau hatte sich wegen des fehlenden Geldes bei der Dienststelle beschwert. Als Lars S. das zweite Mal mit seinem Messer im Wagen eine Sendung öffnete, hatte die Polizei die Geldscheine bereits mit einem Pulver präpariert. Das hinterlässt zunächst unsichtbare Spuren, es leuchtet aber im Dunklen. Lars S. trug es an seinen Händen, er hat es nicht bemerkt. Am 15. Mai letzten Jahres nahm die Polizei ihn vor dem Wilmersdorfer Postamt fest.
Gestern wurde Lars. S. vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gemacht. Es ist keine große Sache, die Verhandlung dauert nur wenige Minuten. Lars S. hat alles gestanden, Zeugen sind keine geladen. Die Staatsanwältin fordert eine Geldstrafe, sie will auch, dass das Taschenmesser eingezogen wird. Lars S. sitzt auf seinem Stuhl im Gerichtssaal, er hat nichts dagegen. Es ist viel schief gelaufen bei ihm in der letzten Zeit.
Die Post hat ihn nach dem Vorfall entlassen. Er hat jetzt keine Arbeit mehr. „Durch eigene Unfähigkeit“ habe sich sein Mandant längst „selbst bestraft“, sagt der Anwalt. Die Richterin guckt auf den Angeklagten. Er sitzt da mit hängendem Kopf. 600 Euro muss er bezahlen, lautet ihr Urteil. Das Taschenmesser darf er behalten. Auf die Frage, woher er eigentlich wusste, in welchem der vielen Pakete sich Geld befunden hätte, antwortet Lars S.: „Das war so ein Gefühl.“
KIRSTEN KÜPPERS