die lümmel aus der ersten reihe von HARTMUT EL KURDI :
In Momenten großen Leids oder Glücks offenbart sich der Mensch. Die Maske fällt, die über den Kopf gezogene Feinstrumpfhose reißt, und man kann der Kreatur direkt ins Angesicht schauen. Nicht immer ist dies ein schöner Anblick. Besonders abstoßend ist die Fratze des Siegers im Moment seines Triumphes, das unkontrollierte Grinsen des Überlegenen, der sich freut, seinem Gegner das Genick gebrochen oder zumindest durch einen gezielten Handkantenschlag eine Wanderniere verpasst zu haben.
Selten bekommt man diesen Gesichtsausdruck so oft und schamlos präsentiert wie kürzlich in der ersten Sitzung des neuen niedersächsischen Landtages. Nach 350 Jahren in der Opposition und im 77. Anlauf hatten Christian Wulff und die CDU es endlich geschafft, die Wahl zu gewinnen und zu allem Überfluss auch noch die FDP an den Haaren zurück in den Landtag und mit in die Regierung zu zerren. Nach einem solch fulminanten Sieg kann man selbstverständlich nicht einfach zum Tagesgeschäft übergehen. Das obszöne Triumphgeschrei überließ der Osnabrücker Hypnosekünstler und Scharping-Imitator Wulff, der laut eigener Aussage den Ruhepuls einer sich im Winterschlaf befindlichen griechischen Landschildkröte besitzt, allerdings den Junggardisten der Koalitionsparteien. Die Fraktionsvorsitzenden David McAllister (CDU) und Philipp Rösler (FDP), 32 und 29 Jahre alt, riefen denn auch sofort und unisono eine Art große bürgerliche Kulturrevolution aus. Die beiden befreundeten Soldatenkinder schienen dabei so stolz und erregt zu sein, dass man ihnen während ihrer aufgekratzten Reden gern mal zugezischelt hätte: Ganz ruhig Jungs, ans Garageaufräumen denken oder einfach mal die Wurzel aus 5.846.139 ziehen und tief durchatmen, dann kommt’s nicht so schnell!
Gegenseitig goutierten sie ihre Sextaner-Scherze und pittoresk-albernen Beschimpfung des Achtundsechzigers an sich mit laut grölendem Gelächter und heftigem Schenkelklopfen. Rösler eiferte seinem Idol Fips Asmussen nach und servierte eine Anekdote, die davon handelte, wie er damals im Matheunterricht von Sozialdemokraten gefoltert wurde. Und dann erklärte er feixend das Folterinstrument, die Mengenlehre: „Wenn fünf Leute im Raum sind, und sieben gehen raus, dann müssen zwei wieder reinkommen, damit niemand drin ist!“
Immerhin, nicht schlecht platziert, die flache Pointe, dachte ich. Aber dann schwenkte die Kamera auf McAllister. Der konnte die Brillanz und Wucht des Witzes gar nicht fassen, schaute zuerst nach rechts, dann nach links, ließ sich per Kopfnicken von seinen Fraktionskollegen bestätigen, dass er diesen parlamentarischen Satirehammer nicht nur geträumt hatte, und begann schließlich mit der flachen Hand auf seinen Tisch einzudreschen und dabei aus den tiefsten Abgründen seiner kartoffeligen Niedersachsenseele zu lachen beziehungsweise vor Lachen zu schreien.
Von so viel Würdelosigkeit moralisch zermürbt, ging ich in die Küche und aß einen ganzen Harzer Roller.