die kunstmesse und die museen : Ein wenig zufrieden stellendes Nebeneinander
Das Konzept ist schlüssig. Weil sich das Art Forum auf Galerien konzentriert, die Aufbauarbeit für junge Künstler und Künstlerinnen leisten, wird die Messe von zahlreichen Ausstellungen in Museen und Kunstvereinen flankiert. Auf dem diesjährigen Flyer sind selbst Veranstaltungen in Hamburg, Leipzig oder Kassel angekündigt, so weit reicht der anvisierte Einzugsbereich. Dadurch lässt sich gegenseitig die Aufmerksamkeit steigern: Der Markt soll davon profitieren, dass vor allem die staatlichen Museen ein internationales Sammlerpublikum mit großen Namen und aufregenden Events nach Deutschland locken. Umgekehrt könnte die Messe mit ihrem Augenmerk auf dem künstlerischen Nachwuchs als Beleg für die Kreativität rund um den Kunststandort Berlin dienen.
Doch in der Praxis der letzten zehn Jahre hat die Chemie zwischen den beiden Sphären nicht immer gestimmt. Zwar fiel die Premiere des Art Forum 1996 mit der Neueröffnung des Hamburger Bahnhofs und der dort installierten Sammlung Marx zusammen. Aber die mit Arbeiten von Beuys und Warhol prominent besetzte Sammlung bewirkte bei manchen Galerien reichlich Zugeständnisse an die marktgängigen Top Ten. Statt neuer Künstler gab es allerorten die arrivierten Positionen von Sigmar Polke, Rosemarie Trockel oder Gerhard Richter. Gleich 13 Galerien hatten damals Werke von Georg Baselitz im Programm. Fast sah es so aus, als wolle die Messe nur bestätigen, was der Immobilienunternehmer Marx an Schätzen angehäuft hatte.
Mittlerweile ist zumindest die Messeleitung von diesem Kräftevergleich abgerückt. Das Art Forum bemüht sich mit seinen Talks etwa zu „Kunst und Wissenschaft“ oder Migration um mehr intellektuelles Profil. Dazu passt die Sonderausstellung „Temporary Import“, bei der Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt vertreten sind, die im vergangenen Jahr ihren Arbeitsschwerpunkt in Berlin hatten. Die Messe bewegt sich damit vom reinen Marktplatz immer mehr hin zu einem Panorama des zeitgenössischen Kunstdiskurses.
Umgekehrt richten die Museen ein Programm aus, das sich kaum noch mit dem künstlerischen Aufgebot des Art Forum überschneidet. Wenn im Hamburger Bahnhof die Fotografien von Bernd und Hilla Becher oder Shirin Neshats Videos gezeigt werden, wenn die Flick-Sammlung unter dem Label „Fast nichts“ diverse Highlights der Minimal-Art präsentiert und die Neue Nationalgalerie mit Jörg Immendorff auftrumpft, dann sind diese Positionen allesamt global etablierte Marken – aber auf dem Art Forum tauchen sie aber kaum auf.
Diese Asymmetrie führt zu einem merkwürdigen Gefälle: Offenbar gibt es 2005 in Berlin zwischen Messe- und Museumslandschaft keinen gemeinsamen Nenner mehr. Es fehlt bei der Auswahl an Künstlern, die eine Scharnierfunktion besetzen, die zugleich eine aufstrebende junge Szene verkörpern und trotzdem im Museum angekommen sind. Nicht einmal der Preis der Nationalgalerie schafft da Abhilfe, weder Monica Bonvicini noch Anri Sala finden sich auf den Ausstellerlisten des Art Forum wieder.
Mit dieser Trennung können beide Seiten nicht zufrieden sein. Denn für internationale Sammler ist gerade die institutionelle Verankerung von Nachwuchskunst ein Kaufanreiz, wie man etwa an der New Yorker Armory Show sieht, die 2004 parallel zur Whitney Biennale stattfand. Wenn aber in den Berliner Museen derzeit hauptsächlich Klassiker wie Pablo Picasso oder Big Shots à la Douglas Gordon gezeigt werden, dann ist man dort immer weniger auf Tuchfühlung mit den Impulsgebern der Gegenwart – von der solchen Prestigeveranstaltungen innewohnenden Festivalisierung des Kulturbetriebs ganz zu schweigen. Dann könnte schlimmstenfalls auch der oft beschworene Laborcharakter des Berliner Kunstbetriebs auf der Strecke bleiben. HARALD FRICKE