die gelben seiten : Massensport: dem Bus hinterherhecheln
Männer in den Städten würden freiwillig auf ihre Lieblingsautos verzichten
Langsam nähern sich die Spiele ihrem Ende, und langsam ahnen alle Berauschten in China, was die Rückkehr in den Alltag bedeuten könnte. Auf www.china.com.cn verweist man darauf, wie Einzelne morgens in Großstädten wieder hinter überfüllten öffentlichen Bussen herhecheln müssen. Man müsse es nunmehr positiv sehen, schlägt der Erstschreiber vor. In puncto „wie“ folgen andere ihm gleich mit kreativen Deutungsvorschlägen. Zum Beispiel: Wenn sich immer mehr Chinesen der Sportdisziplin anschließen, hinter schaukelnden Bussen herzuhecheln, wer weiß, ob nicht bald ein chinesischer Bolt emporstiege?
Oder: Männer in den Städten würden sich in den nämlichen Hechelsport verlieben, sie würden freiwillig auf ihre Lieblingsautos verzichten.
Dann bekomme Beijing seinen blauen Himmel zurück, ohne Zwangsmaßnahmen zur Gewährleistung olympischer Sicherheit. Oder: Auch der Kraftsport könnte vom angeregten Massendrill im urbanen Alltag profitieren, nach dem Hinterherhecheln müsse man sich durch die Wand aus menschlichen Körpern durchquetschen, um in den Bus zu kommen.
Nicht alle sind so gut aufgelegt. In mehreren Foren, darunter bbs.people.com.cn, jenem Forum des Parteiorgans, bemängeln Webfreunde, sie hätten als Steuerzahler zu viel geopfert, etwa insofern, als das Sportwesen in China hochgradig antiolympisch, zumal hochgradig professionalisiert sei. Wo im Westen aus der Clubkultur des Massensportes selbstzahlende Anwärter auf Titel im Leistungssport erwüchsen, würden in China wenige von Kindesbeinen an fiskalisch gezüchtet, professionell gedrillt und in den Kampf um die Staatsehre abkommandiert. Wo bleibt der Massensport, für den doch einst Vorsitzender Mao mit dem berühmten Spruch plädiert hat: „Das Sportwesen entwickeln, um die Gesundheit des Volkes zu fördern“, fragt einer wehmütig.
Er wird sogleich zurückgepfiffen: „Die Zeit von Mao meinst du? War es nicht die Zeit, wo sowieso alle Städter allmorgendlich hinter allem hergehechelt waren, nicht bloß hinter den Bussen, sondern auch hinter allem Essbaren?“ SHI MING
Shi Ming, 51, kommt aus Peking und lebt als Journalist in Köln