die gastro-kritik : Der Star bei Ikea heißt seit dem ersten Tag Köttbullar
Das Ikea-Restaurant: der beste Imbiss in jeder Stadt. Funktioniert auch als Autobahnraststätte
Es ist ja ein beliebter Irrtum, dass der Schwede als solcher gern isst, wie es gastronomische Landesethnologie sich so denkt. Nämlich von morgens bis abends gesund, naturrein, ja ökologisch. Liebevoll zubereitet, wie die Smörgåsbrote. Smörgås – das ist ja nichts als ein Butterbrot (nix mit auch original schwedischer Lätta) mit was drauf. Oder das Knäckebrot: in erster Linie war (und ist) das winterfestes Getreidegebäck.
Der Schwede, die Schwedin – sie alle speisen wie wir. Kein Volk von Edelfraßfreunden, sondern eine Gesellschaft von Ewighungrigen. Mit Neigung zum Schnellen, zum Praktischen, zum Unprätentiösen. Also Spaghetti, Pizza und McDonald’s, gern Junkfood, viele Fritten, viel pappiges Brot und Soßen, die wie alle Nahrungsmittel aus jener Weltgegend eine Neigung zu einer gewissen Überzuckerung spüren lassen. Und das musste auch so sein, denn in dunklen Zeiten, von denen man in Skandinavien viele Monate heimgesucht wird, ist Saccharines der pure Glücksspender. Es war das Lebensstilhaus Ikea, das der schwedischen Küche zu Selbstvertrauen verholfen hat. Plötzlich nahm man auch zwischen Ystad und Happarande wahr, dass man, global gesehen, Leckeres auf die Tische zu bringen weiß.
Der Star, kein Wunder, ist seit Eröffnung der ersten Ikea-Filiale ein Gericht, das hierzulande als Frikadelle bekannt ist, Kettenimbisse verkaufen den Artikel unter dem Namen Burger: Köttbullar. Ausgesprochen: Schöttbullar, mit Betonung auf der ersten Silbe. Und heißt, übersetzt, Fleischkugeln. Das -ar am Ende des Worts kennzeichnet den Plural, denn von einem Köttbulle, einem einzigen Hackkügelchen, kann niemand satt werden.
Ikea serviert allerdings dieses Gericht in einer Form, das seine Verwandtschaft zum Fleischpflanzerl, zur Bulette kaum mehr ahnen lässt: Mit milder, würziger, klar, auch leicht süßer Sauce (sås), an Salzkartoffeln (potatis) und einem knallroten Fleckchen Preißelbeerkonfitüre (lingonsylt). Die Klopse selbst gibt es bei Ikea in drei Portionsvarianten: Kinder bevorzugen die mittlere, erwachsene Männer die große und die meisten Frauen die kleine. Versuche, einer kleinen Umfrage zufolge, diese schwedischen Hackbällchen nachzukochen, scheiterten allesamt: Irgendwie klappt es nicht mit den Gewürzen. Der Trick könnte sein, dass zur Hackmischung vor dem Braten pro 100 Gramm ein Esslöffel Tannenhonig hinzugefügt werden sollte: Kinder, die vielleicht Michel aus Lönneberga (schwedisches Original: „Emil i Lönneberga“) mögen, haben bei dem gelernt, dass ein Leben einfach gut wird, wenn man sich kulinarisch auf alle Fälle den Köttbullar unterwirft.
Im Übrigen wird dieses wichtigste Gericht von Ikea noch nicht in der Tiefkühlfassung angeboten: Globalisierung, und führe sie zunächst durch Europa, geht eben leider doch nicht so schnell. Das Schöne ist trotzdem, dass dieses Gericht so liebevoll auf dem Teller angerichtet wird – und buchstäblich allen Menschen, gleich welcher ethnischer Prägung, muslimisch, jüdisch, christlich & sonst wie, gefällt.
Um dem Rest die Ehre zu geben: Alle anderen Speisen im Ikea-Restaurant munden ebenfalls. Es ist der beste Imbiss in jeder Stadt. Man kann ihn sogar als Autobahnraststätte nutzen. Tipp für Einsteiger: der Himbeerwackelpudding mit Vanillesoße (hallonpudding med vaniljsås). Und: Wer eine zweite Tasse Kaffee möchte, kann sich nachschenken lassen: Es nennt sich påtår – etwa: Zunahme. Und ist gratis! JAN FEDDERSEN
IKEA-RESTAURANT, alle Filialen, übliche Geschäftszeiten, Hauptgerichte zwischen 4 und 10 Euro. Als Getränk empfehlenswert: Preißelbeersaft