die anderen über die krise in frankreich :
Die Straßburger Dernières Nouvelles d’Alsace kritisieren die Probleme um den Ersteinstellungsvertrag CPE, der Kündigungen erleichtert, aber erst einmal nicht in Kraft tritt: Unser staatsbürgerliches Bewusstsein wird nicht unbeschadet aus dieser CPE-Krise hervorgehen. Welchen Respekt können die Franzosen vor ihren Institutionen und der repräsentativen Demokratie haben, wenn sie so wirklichkeitsfern, ja unverständlich erscheinen? Die Nummer, die wir seit Wochen erleben, hat ein unerträgliches Elitebewusstsein offenbart, bei dem Karikatur, Demagogie und pädagogisches Defizit mit Mittelmäßigkeit wetteiferten. Machen wir also ein für alle Mal Schluss mit dieser gewaltigen Verschwendung, bevor sie dramatische Folgen zeitigt. Das Zusammenschustern eines neuen Gesetzes, das die Totgeburt Ersteinstellungsvertrag annulliert, ist unserer nicht würdig.
Die Pariser Tageszeitung Le Monde meint zum gleichen Thema: Wir erleben eine in der V. Republik beispiellose Übergabe der Macht von der Regierung an die Mehrheitspartei UMP und von Premierminister Villepin an Innenminister Sarkozy. Der Regierungschef hat Unnachgiebigkeit gezeigt. Doch Sarkozy soll jetzt (mit der UMP) einen Kompromiss finden und die Reform beerdigen. Ein Jahr vor der Präsidentenwahl kann diese tolle Geschichte Jacques Chirac nur weiter schwächen. Der Präsident ist gemessen an seinen verfassungsmäßigen Rechten der mächtigste Politiker Europas. Doch verfangen in den Rivalitäten seiner möglichen Nachfolger ist er gezwungen, mit heißer Nadel an einer Lösung zu stricken, um einer Krise zu entrinnen, die er nicht zu verhindern wusste. Ein beklagenswertes Ende seiner Amtszeit!
Die Libération, gleichfalls aus Paris, kommentiert: Kämpferischer Umzug oder Siegesfeier? Die Teilnehmer der Demonstrationen werden angesichts der zweideutigen und teilweise irrealen Rauchwolken, die die Tage nach der Rede von Jacques Chirac umgeben, sicher zwischen den beiden Haltungen schwanken.
Die Repubblica aus Rom schreibt: Nicolas Sarkozy hat in Paris „die Macht übernommen“. Der Ausdruck eines Sozialistensprechers ist zwar polemisch gemeint, aber dennoch zweifellos richtig. Denn der Chef der Regierungspartei UMP ist zu dem Mann geworden, der die soziale Krise lösen könnte, die sich in Frankreich auftut. Er ist der Joker der politischen Szene in Frankreich, der neue Gesprächspartner der Gewerkschaften und der unbestrittene Führer der Regierungsmehrheit. Das ist selbst für Staatspräsident Jacques Chirac ein wenig zu viel, der vom Aufstieg seines Rebellensohnes irritiert ist.