die Wahrheit: Neues aus Neuseeland
Kein Kamin für den Weihnachtsmann. In Haiti haben sie seit ihrem Erdbeben die Cholera und noch immer keine ordentlichen Grabsteine.
In Christchurch hatte es in diesem Jahr genauso heftig gebebt, aber erst seit dem schweren Minenunglück vor vier Wochen haben wir eine nationale Tragödie, als 29 Bergleute bei der Explosion starben. Doch seit dem Beben Anfang September fehlt vielen Häusern in meiner Stadt der Kamin. Das klingt zwar harmlos, aber frag mal die armen Kinder in Aotearoa. Wie kommt bloß nächste Woche der Weihnachtsmann ins Haus?
Andere Länder, andere Sitten, andere Dramen. Tannenbäume gibt es auch im tiefen Süden, aber vom Christkind hat hier keiner was gehört. Kiwi-Kinder glauben an Santa Clause, den Weihnachtsmann, der im Schlitten von seinen Rentieren um die Welt gezogen wird und allen die Geschenke bringt. Die Bescherung ist erst am Morgen des ersten Weihnachtstages. In der Nacht davor bindet Santa seinen Schlitten am Schornstein fest, kriecht mit seinem Sack durch den Kamin und legt die Päckchen unter den Baum.
Daher stellen brave Kinder dem Weihnachtsmann eine Flasche Bier auf den Kaminsims und legen eine Möhre fürs Rentier dazu. Brave Eltern nehmen einen Schluck vom Bier, wenn die Kinder endlich schlafen, essen die Möhre auf und malen Stiefelabdrücke in die Asche des Kamins. Schön den Zauber bewahren. Aber dumm sind die Kleinen ja nicht. Sie schauen im Advent auf den Berg von Schutt und Ziegeln, der noch immer in so manchem Vorgarten liegt, und sind untröstlich: Kein Schornstein - keine Geschenke? Wie soll Väterchen Frost denn von draußen nach drinnen kommen? Etwa durch die Klimaanlage? Kein Wunder, dass Neuseeland damals nach dem Erdbeben eigens Therapeuten aus Australien holen ließ, um all die Traumata zu bewältigen.
Laurence Ilott, zweifacher Vater mit großem Herzen, hat für die verstörten Seelchen eine Lösung gefunden und die Webseite "Santas Helper" eingerichtet. Dort können Christchurchs Kinder sich Rat beim Mann in Rot holen. Ilott hat Trost und Tipps per E-Mail parat: "Santa kommt auch auf anderem Wege ins Haus. Eure Eltern können einen Zauberschlüssel vor die Tür legen, den nur er sehen kann. Seinen Schlitten parkt er weit oben über dem Dach, damit er keinen weiteren Schaden anrichtet."
Bei so viel praktischem Verstand ist das Fest dann hoffentlich doch noch zu retten. Wenn sich außer dem Weihnachtsmann nicht noch ein paar andere Gesellen aus der Märchenwelt einfinden. Denn seit dem Erdbeben, so berichten selbsternannte Experten für Übersinnliches, habe es in den alten Gemäuern von Christchurch mehr als doppelt so viele Geistererscheinungen gegeben. Nicht nur "Santas Helper" hat alle Hände voll zu tun. Auch rituelle Beschwörer, traditionelle Maori-Heiler und Wünschelrutengänger sind im Vorweihnachtsstress. Und dann schlug noch ein Witzbold vor, man möge doch die Bescherungsmythologie der Region anpassen und aus den Rentieren lieber Renschafe machen. Als ob die armen Kinder nicht schon genug gelitten hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!