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Archiv-Artikel

deutsch-argentinische freundschaft (2) Bis Freitag darf die Fahne flattern

Ich bin Deutscher. Meine Freundin ist Argentinierin. Am Freitag ist Show-down. Schon heute brennt die Luft

Meine argentinische Freundin hat sich gestern eine Fan-Perücke gekauft, wilde Locken in Blau-Weiß. Doch, sieht nett aus. Ich hatte sie auch schon auf, als Test: Wie wird man in diesen Tagen behandelt, wenn man als Argentinien-Fan durch Berlin läuft? Gut. Keine Schläge, keine Pöbeleien, dafür aufmunterndes Klatschen. Anderer Test: Wie wird man in diesen Tagen behandelt, wenn man als Deutschland-Fan durch unsere Wohnung läuft? Keine Ahnung. Dieser Test ist mir zu gefährlich.

Die argentinische Flagge, die ich noch in der Vorrunde an unserem Balkon angebracht habe, flattert im Wind. Eigentlich waren mal Gewichte dran, aber die sind beide abgefallen, hoffentlich hat sich kein Passant verletzt. Jetzt bleibt die Fahne kaum zwei Minuten brav hängen, immer wieder fährt ein Windstoß darunter, dann klappt sie hoch über unsere Balkonpflanzen. „Das ist nicht gut für die Pflanzen“, sagt meine Freundin, „Ja, stimmt, die armen Pflanzen bekommen gar kein Licht mehr“, sage ich und habe eine Idee: „Dann nehmen wir die Flagge ab, ich kümmere mich drum!“ Und springe auf. Jetzt wird sie misstrauisch: „Du hast dich doch noch nie für die Pflanzen interessiert.“

Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Die Fahne bleibt dran, und das muss sie auch: Es handelt sich um ein Billigprodukt. Das Blau ihrer Streifen ist viel zu dunkel. Die Fahne braucht dringend einige Tage in der Sonne, um zu einer richtigen argentinischen Fahne zu werden. Bis Freitag hat sie noch Zeit, dann ist ihr Sonnenbad vorbei, höhö. „Was hast du gesagt?“ Hab ich was gesagt? Ich habe nur gedacht. Gedacht und gelacht, höhö. „Was?“ – „Nichts, nichts.“

Meine Freundin arbeitet in der argentinischen Botschaft. Dort ist zurzeit die Hölle los. Ständig rufen Menschen an, die offenbar nicht wissen, wofür eine Botschaft gut ist und wofür nicht. Sie wollen wissen, wo man in Deutschland baden gehen kann. Oder so richtig Party machen. Oder sie wollen Eintrittskarten für das Spiel am Freitag kaufen. Oder verkaufen. Der Kurs steht bei 900 Euro. So viel kostet auch ein Flug nach Buenos Aires und zurück. Im September wollen wir hin, ihr Bruder heiratet.

„Hey, ich hab eine Idee. Wir fliegen nicht nach Buenos Aires, sondern sehen uns lieber das Spiel im Stadion an.“ Ich ernte nur ein Kopfschütteln. Sie telefoniert mit einer Freundin. Auf Spanisch. Ich verstehe nur wenig. Sie lachen viel. Über uns? Über Deutschland? Über unser Deutschland? Was gibt es da zu lachen? Verdammt, ich halte das nicht aus. Ich sollte doch besser Spanisch lernen.

Jetzt nicht aufregen. E-Mails checken. Arbeiten. Im Posteingang ausgerechnet die Mail eines argentinischen Autors. Er bittet mich um einen Gefallen: Ich soll ihm eine Telefonnummer heraussuchen. Und er schreibt: „Ich wünsche euch eine ehrenwürdige Niederlage!“ Der wird sich noch wundern. Nicht nur, wenn er die Nummer anruft, die ich ihm jetzt schicke. STEFAN KUZMANY